Unerfüllter Kinderwunsch: Häufige Ursachen bei Frau und Mann
Unerfüllter Kinderwunsch ist in Deutschland mit ca. 10 – 15 % der Männer und Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter weit verbreitet. Die Ursachen für die Sterilität/Subfertilität sind sehr vielfältig und betreffen zu ca. 30 % die Frau, zu 30 % den Mann und zu weiteren 30 % gleichzeitig die Frau und den Mann. Bei ca. 10 – 15 % aller kinderlosen Paare bleibt die Ursache ungeklärt.
Ursachen bei der Frau
Zyklusstörungen finden sich in Form von Tempoanomalien (Poly-, Oligomenorrhoe oder kompletter Amenorrhoe) und Typusanomalien (Hypo- und Hypermenorrhoe sowie Meno- und Metrorrhagie). Die Ursachen für diese Störungen können hormoneller oder organischer Art sein.
Hormonelle Ursachen der Zyklusstörungen
Eine Hyperandrogenämie kann die Follikelreifung stören, z.B. bei PCO-Syndrom (Polyzystisches Ovarsyndrom) oder bei AGS (Adrenogenitales Syndrom). Auch eine Hyperprolaktinämie kommt als Ursache einer Follikelreifungsstörung infrage. Die hypothalamisch-hypophysäre Dysregulation ist ein „Verständigungsproblem“ zwischen Hypothalamus und Hypophyse.
Ursache sind z.B:
- Stress,
- unterkalorische Ernährung bei hoher körperlicher Belastung,
- Anorexie,
- starkes Übergewicht,
- Leistungs- und Ausdauersport.
Oftmals ist der Auslöser nicht zu finden (idiopathische Form). Auch Hypophysenadenome (Prolaktinome, Wachstumshormon produzierende, nicht hormonell aktive Adenome oder sonstige Raumforderungen) können die gonadotrope Partialfunktion der Adenohypophyse stören.
Im Extremfall können die erwähnten Störfaktoren sogar zum kompletten Ausfall der Gonadotropinsekretion führen (hypogonadotroper Hypogonadismus). Diesen sieht man z.B. auch bei Patientinnen mit Sheehan- oder Kallmann-Syndrom. Der hypergonadotrope Hypogonadismus bei eingeschränkter ovarieller Reserve ist mit hohen Gonadotropinen und niedrigem AMH (Anti-Müller-Hormon) als Ausdruck einer verminderten Follikelanzahl in den Ovarien verbunden.
Bei der POI (prämature ovarielle Insuffizienz) tritt das vor dem 40. Lebensjahr auf. Ätiologisch ist ein Großteil der Formen idiopathisch oder immunologisch bedingt. Aber auch organisch bedingte Formen, etwa postoperativ bei Endometriose, bei Z.n. Chemotherapie oder Radiatio im kleinen Becken, treten auf. Ebenfalls scheinen Mumps-Infektionen bei der POI eine Rolle zu spielen.
Diagnostik bei Zyklusstörungen
Frühfollikuläre Blutabnahme zwischen Zyklustag 3 und 5 oder in der ovariellen Funktionsruhe folgende Basis-Parameter: Östradiol, LH, FSH, Testosteron, Androstendion, DHEAS, Prolaktin, TSH (ggf. zusätzlich AMH und 17-OH-Progesteron und Cortisol bei Hyperandrogenämie.
Weitere Störungen des Hormonhaushalts
Neben o.g. hormonell bedingten Ursachen für Zyklusstörungen kann eine gestörte Schilddrüsenfunktion (Hyper- oder Hypothyreose/Hashimoto-Thyreoiditis) im Rahmen des unerfüllten Kinderwunsches eine Rolle spielen. Der bei Kinderwunsch angestrebte TSH-Wert ist seit Jahren Gegenstand der Diskussion.
Ein TSH-Wert < 2,5mIE/l gilt aktuell als „Wunschwert“ bei Kinderwunschpatientinnen. Störungen des Insulinstoffwechsels (Insulinresistenz/Diabetes), isoliert oder in Zusammenhang mit einem PCO-Syndrom, nehmen in unserer Gesellschaft mit zunehmender Anzahl an übergewichtigen Patientinnen ebenfalls zu.
Auch hierbei kommt es u.a. durch Follikelreifungsstörungen zu deutlich verminderter Fertilität. Diagnostisch empfiehlt sich hier frühzeitig eine Bestimmung des HOMA-Index oder die Durchführung eines 75 g OGTT mit paralleler Insulinbestimmung.
Organische Ursachen der Zyklusstörungen
Als organische Ursachen sind für Zyklusstörungen u.a. ein Uterus myomatosus, Endometriumpolypen/Endometriumkarzinome, Zervixektopien/Zervixkarzinome, Endometriose oder andere Malignome des Genitaltrakts verantwortlich. Auch eine Amenorrhoe kann organisch bedingt sein (u. a. durch ein Ashermann-Syndrom nach Curettagen oder Endometriumatrophie nach Radiatio).
Weitere organische Ursachen von Sterilität/Subfertilität
Tubare Sterilität mit Verschluss der Eileiter, oftmals bedingt durch Chlamydieninfektionen, Endometriose oder Adhäsionen, ist eine weitere relevante organische Ursache für ungewollte Kinderlosigkeit. Die Endometriose mit ihrer Vielzahl an vermuteten Mechanismen, die negativen Einfluss auf die Fertilität haben, spielt ebenfalls eine große Rolle (u.a. mechanische Einflüsse in Form von Adhäsionen, Veränderungen der Peritonealflüssigkeit, Abnahme der endometrialen Rezeptivität, Abnahme der Eizell- und Embryonenqualität, Dysperistaltik beim uterotubaren Transport sowie eine verlangsamte Schlagfrequenz der Tubenzilien).
Endometriose findet sich im Rahmen einer Laparoskopie bei bis zu 40 % der Kinderwunschpatientinnen trotz Eumenorrhoe. Der Uterus myomatosus als pathologischer Faktor kann ebenfalls je nach Lage, Anzahl und Größe der Myome Einfluss auf die Fertilität haben. Angeborene Fehlbildungen im Bereich der Fortpflanzungsorgane (z.B. Tuben- und Uterusfehlbildungen) können ebenfalls Ursache einer ungewollten Kinderlosigkeit sein, kommen jedoch eher selten vor.
Ursachen beim Mann
Die häufigste Ursache der Sterilität/Subfertilität beim Mann ist die eingeschränkte Bildung normaler, gut beweglicher Spermien. Hierbei kann die gestörte Spermatogenese/Spermiogenese genetisch bedingt gestört sein – durch Chromosomenanomalien wie das Klinefelter Syndrom (47,XXY) oder AZF-Deletionen – oder hormonell bedingt sein (u.a. Störungen der Freisetzung von LH und FSH in der Hypophyse oder Testosteronmangel).
Störungen werden aber zum Teil auch erst im Laufe des Lebens erworben, z.B. durch Hodenhochstand in der Kindheit, massives Übergewicht, Mumps-Infektionen oder anderen Infektionen des Hodens. Zudem können Erkrankungen wie Diabetes, Krebserkrankungen und Lymphome die Spermienqualität verschlechtern.
Ferner haben diverse Medikamente wie Anabolika und Steroide, übermäßiger Konsum von Nikotin und Alkohol, Durchblutungsstörungen oder spezielle Noxen wie Umweltgifte und Schwermetalle negativen Einfluss auf die Spermienproduktion.
Verschlüsse im Bereich der Samenleiter mit eingeschränkter Spermienanzahl und Qualität bis hin zur Azoospermie können durch Verletzungen wie Leistenbrüche, Infektionen (häufig Chlamydien), Entzündungen, Mukoviszidose oder angeborene Fehlbildungen entstehen. Auch Antikörperbildung gegen die eigenen Spermien durch Auflösung der Blut-HodenSchranke – Antikörpernachweis in den Spermien mit dem MAR-Test (MixedAntiglobulin-Reaction-Test) – als Ausdruck einer immunologischen Infertilität behindert unter Umständen die Spermienfunktion und trägt so zur Kinderlosigkeit bei.
Äußere Faktoren
Individuelle Lebensumstände können die Fertilität von Frauen und Männern ebenfalls einschränken. Neben bereits erwähnten Faktoren wie Adipositas, Umweltgifte, Nikotinabusus und Alkohol spielen Untergewicht (z.B. bei Essstörungen), schwere körperliche Belastungen und Schichtarbeit eine Rolle.
Eine direkte Auswirkung der Psyche auf die Fertilität wird von vielen Paaren angenommen, konnte bisher jedoch nicht nachgewiesen werden. Entstehen aus der emotionalen Belastung durch den unerfüllten Kinderwunsch oder des generellen Stresses jedoch Folgeerscheinungen wie ungesunde Lebensweise oder Sexualstörungen in der Partnerschaft, beeinträchtigt der Stress natürlich in diesen Fällen indirekt die Fruchtbarkeit negativ.
Neben allen erwähnten Ursachen der Sterilität bei beiden Geschlechtern ist DER entscheidende Faktor für unerfüllten Kinderwunsch das sog. „reproduktive Fenster“ der Frau. Bereits ab dem 30. Lebensjahr kommt es zu einer deutlich fortschreitenden Abnahme der Eizellreserve in den Ovarien und die Eizellqualität nimmt fortschreitend ab, so dass es bei den Oozyten ab dem 35. Lebensjahr durch Fehlverteilungen der Chromosomen/Chromatiden während der Reifeteilungen zunehmend zu genetischen Veränderungen kommt. Daraus resultieren deutlich abnehmende Schwangerschaftsraten und zunehmende Abortraten mit fortschreitendem Alter der Frau, und das schon lange vor der Menopause.
Labordiagnostik bei unerfülltem Kinderwunsch
Vielen Paaren könnte somit die ungewollte Kinderlosigkeit erspart werden, wenn die Erfüllung des Kinderwunsches innerhalb des reproduktiven Fensters realisiert würde. In der heutigen Gesellschaft werden jedoch über 50 % der Frauen erst mit Mitte 30 oder später erstmalig schwanger. Die höchste Fertilität weisen Frauen jedoch statistisch zwischen dem 22. und 27. Lebensjahr auf.
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