Kontrazeption: Männliche Verhütung

Definition der Kontrazeption

Als Kontrazeption bezeichnet man Empfängnisverhütung im Sinne der individuellen Familienplanung oder auf staatlicher Ebene zur Lenkung der Geburtenzahlen. Kontrazeption dient dazu, den Geschlechtsverkehr zu ermöglichen und gleichzeitig eine Schwangerschaft zu vermeiden bzw. das Risiko einer Schwangerschaft möglichst gering zu halten.

Alle männlichen oder weiblichen Ansätze zur Kontrazeption versuchen, entweder alleine oder in Kombination die Befruchtung der Eizelle oder die Entstehung einer befruchtungsfähigen Eizelle (Ovulationshemmer) oder die Einnistung einer befruchteten Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut (Nidationshemmer) zu verhindern.

Laut Definition der WHO sind die Selbstbestimmung der Kinderzahl und der freie Zugang zu effektiven Verhütungsmitteln für beide Partner ein wesentlicher Bestandteil der reproduktiven Gesundheit.

Abb.1 Prävalenz verschiedener Methoden zur Kontrazeption (United Nations Population Devision, New York, 2007

Ein ideales ​Kontrazeptivum sollte dabei bei einem schnellen Wirkungseintritt und voller Reversibilität eine hohe Effektivität haben und akzeptabel für beide Partner sein. Zusätzlich sollte es bei leichter Zugänglichkeit und erschwingbaren Kosten keinen Einfluss auf die Nachkommenschaft haben und ein geringes Nebenwirkungsprofil aufweisen (aus Nieschlag et al.; 2009). Alle männlichen Kontrazeptionsverfahren zielen auf eine Verhinderung der Befruchtung der Eizelle.

Da aber insgesamt nur wenige Kriterien an ein ideales Kontrazeptivum von den männlichen Kontrazeptions-Methoden erfüllt werden, werden V.a. in Deutschland aber auch weltweit (s.Abb.1) männliche Verfahren deutlich weniger verwendet im Vgl. zu den weiblichen Kontrazeptionsverfahren.

Existente Methoden zur männlichen Kontrazeption

  Pearl Index
Intramuskuläre 3-Monats-Progesteronderivate 0,0-0,4
Hormonelle männliche Kontrazeptiva (Azoospermie) 0,0-0,8
Hormonelle intrauterine Spiralen 0,1
Vasektomie 0,1-0,2
Orale hormonelle weibliche Kontrazeptiva 0,1-6
Alleinige Progesteron-Pille 0,5-3
Hormonelle männliche Kontrazeptiva (0-0,1 Mill. Spermien/ml) 0,7
Hormonelle männliche Kontrazeptiva (0-3,0 Mill. Spermien/ml) 1,4
Vaginaler Ring 3,5
Diaphragma 6-18
Spermizide Substanzen 6-30
Kondom 3-16
Coitus interruptus 4-24
Keine Verhütung 85

Der Coitus interuptus ist vermutlich das älteste Kontrazeptionsverfahren der Welt. Gemeinsam mit der periodischen Abstinenz erfüllen beide Verfahren der natürlichen Empfängnis-Verhütung nahezu alle Anforderungen an ein ideales Kontrazeptivum und sind die weltweit und in Deutschland am meisten verbreitete Methode. Massive Probleme ergeben sich neben der Akzeptanz aber vor allen in der schlechten Effektivität (s.Tab. 1) was einer weiteren Verbreitung im Wege steht.

Auch das Kondom ist seit dem Altertum in verschiedenen Varianten bekannt. Zusätzlich zu seiner verhütenden Wirkung bietet das Kondom als nahezu einziges Verhütungsmittel (mit starken Einschränkungen auch Spermizide Substanzen) einen gewissen Schutz gegen sexuell übertragbare Erkrankungen. Neben der teils fehlenden Akzeptanz ist vor allen die schlechte Effektivität (s. Tab. 1) das größte Manko dieser Methode, was einer größeren Verbreitung (s. Abb. 1) entgegenwirkt. Auch die Versagerquote zur Verhinderung einer HIV Übertragung ist mit 31% bis 50 % inakzeptabel hoch (aus Nieschlag et al.; 2009). 

Im Gegensatz zum Coitus interuptus, periodischen Abstinenz und zum Kondom zählt die Vasektomie wie auch die Tubenligatur zu den effektivsten Verhütungsmethoden überhaupt (Tab. 1). Obwohl weniger verbreitet (s. Abb. 1), ist die Vasektomie technisch dtl. einfacher und kostengünstiger als die Tubektomie. Bei der Vasektomie erfolgt in einem ambulanten Eingriff in Lokalanästhesie beidseitig die Durchtrennung und Teilresektion eines ca. 1 cm langen Stückes des Vas deferens. Anschließend werden die Enden ligiert, elektrokoaguliert und in verschiedene Gewebeschichten verlagert.

In Abhängigkeit von der Effektivität des Operateurs werden permanente Azoospermieraten von 98 bis 100% in Studien berichtet. Akute oder längerfristige Komplikationen sind selten und betreffen, abgesehen von den üblichen OP-Komplikationen, vor allen die Bildung von Spermagranulomen und die Bildung von Spermienautoantikörpern. Bzgl. der Anforderungen an ein ideales Kontrazeptivum erfüllt die Vasektomie derer viele, wobei die potentielle Irreversibilität der Vasektomie der Hauptkritikpunkt bleibt. V.a. in einer neuen Partnerschaft, nach dem Tod vormaliger Kinder oder nach Verbesserung der Lebensumstände besteht bei 2 bis 7% der vasektomierten Patienten der Wunsch nach einer Refertilis​ierung (Vasovasostomie).

Zeit bis zur Refertilisierung Spermien im Ejakulat Schwangerschaftsrate
< 3 Jahre 97% 76%
3-8 Jahre 88% 52%
9-14 Jahre 79% 44%
> 15 Jahre 71% 30%

Es empfiehlt sich daher immer, bei einer Vasovasostomie in gleicher Sitzung auch Hodengewebe für eine ggfs. spätere ICSI-Behandlung einzufrieren.

Hormonelle männliche Kontrazeption

Im Gegensatz zu den übrigen Verfahren der männlichen Kontrazeption, die auf eine Verhinderung der Spermientransports zur Eizelle zielen, versucht die hormonelle männliche Kontrazeption, die Spermienproduktion zu unterbinden.

Durch eine externe Testosterongabe wird hierbei versucht, die für die Spermienproduktion wichtigen Hormone der Hirnanhangsdrüse zu unterdrücken. Gelingt dies bis zur Azoospermie oder unterhalb von 0,1 Mill./ml, zeigt sich eine sehr hohe Effektivität der hormonellen männlichen Kontrazeption auf dem Level der führenden weiblichen Verfahren (s. Abb. 1). Aber auch bei Spermienzahlen unter 3 Mill/ml ist die kontrazeptive Effektivität noch klar besser im Vgl. zum Kondom (s. Tab. 1). 

Nachdem durch die alleinige Gabe von Testosteron nur ca. 60% der Kaukasier eine Unterdrückung der Spermienbildung bis hin zur Azoospermie zeigten, beinhalten die neueren Ansätze zur Unterstützung der Suppression der LH und FSH-Produktion zusätzlich die Gabe eines Gelbkörperhormones (Gestagen). In klinischen Studien zeigt sich hierdurch eine dtl. Steigerung der Effektivität mit einer Azoospermierate der Kaukasier von 87 % und 100% kleiner 1 Mill/ml bei voller Reversibilität (Kamischke et al. 2002).

Insgesamt werden in den meisten klinischen Studien wenig Nebenwirkungen bei der hormonellen männlichen Kontrazeption berichtet. Umso überraschender kam der Abbruch einer großen Studie der Weltgesundheitsorganisation im August 2011, nachdem in einer Studie mit einer Testosteron-Gestagen-Kombination vermehrte Nebenwirkungen wie Depressionen, Gewichtszunahme oder Hautprobleme aufgetreten waren. Ursächlich hierfür war am ehesten die Gestagen-Komponente der Kombination.

Auch im Hinblick auf das insgesamt nur niedrige Interesse der Industrie ist damit die generelle Zukunft einer hormonellen Verhütungsmethode für den Mann unsicher. Im Anbetracht der hohen Effektivität kann jedoch im Einzelfall ggfs. eine Behandlung im Rahmen eines individuellen Heilversuches erfolgen.

Relevante internationale und nationale Empfehlungen/ Leitlinien/Literaturverweise

  • Cook L et al., Vasectomy techniques for male sterilization. Hum. Reprod. 19: 2431-38, 2004
  • The Best Practice Committee of the American Society for Reproductive Medicine. Vasectomy Reversal, Fertil.Steril 82  SUPPL. 1: S194-98, 2004)
  • The Institute for Clinical System Improvement (ICSI)
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