Gynäkologische Infektionen

Mindestens 250 Bakterienarten bilden die bakterielle Flora der Vagina, wobei die Laktobazillen bei Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter deutlich dominieren. Abhängig von der ethnischen Herkunft der Frauen unterscheiden sich die Laktobazillenarten. Die wichtigsten Laktobazillen der Vagina sind L. crispatus, L. gasseri, L. iners und L. jensenii. Alle Bakterienspezies rufen durch ihre Milchsäureproduktion eine Ansäuerung der Scheide hervor.

Das führt bei geschlechtsreifen Frauen zu einem physiologischen pH-Wert zwischen 3,8 und 4,4. Einige Laktobazillenstämme sind zusätzlich in der Lage, u. a. H₂O₂, Bakteriozine und Koaggregationsmoleküle zu bilden. Heute weiß man, dass neben den Laktobazillen auch andere Bakterien Milchsäure bilden können (z. B. Enterobacterales und einige Streptokokkenarten).

In geringer Menge sind in der transienten Normalflora oft auch Keime vorhanden, die unter ungünstigen Umständen als fakultativ pathogene Erreger Krankheitswert haben können: insbesondere B-Streptokokken, Ureaplasmen/ Mykoplasmen, Gardnerellen und andere fakultativ oder obligat anaerobe Keime sowie diverse Candida-Arten.

Enterobacterales und Enterokokken können im inneren Genitale zu Infektionen führen, sind aber im äußeren Genitale auch bei reichlichem Wachstum meistens nur Ausdruck einer Fehlbesiedlung mit Fäkalkeimen. Auf der anderen Seite sind typische Erreger sexuell übertragbarer Infektionen zu nennen, deren Labornachweis praktisch immer als pathologisch interpretiert werden kann. Zugleich sind in diesen Fällen immer auch hygienische und epidemiologische Aspekte zu bedenken.

Schwieriger ist die Interpretation von klinischen Befunden und Laborergebnissen bei Fehlbesiedlungen durch fakultativ-pathogene Keime. Hier kommen mehr oder weniger ausgeprägte, dynamische Veränderungen des mikrobiologischen Gleichgewichts und des mikrobiellen Lebensraums (z. B. vaginaler pHWert) zum Tragen. Hier spielt das Labor bei der Diagnose eher eine nachgeordnete, aber dennoch in Zweifelsfällen hilfreiche Rolle, wenn die gesamte Befundkonstellation umsichtig interpretiert wird.

Das Risiko, an einer gynäkologischen Infektion zu erkranken, ist individuell abhängig von Alter, Sexualverhalten beider Partner sowie immunologischer und auch genetischer Disposition. Im Folgenden werden als Beispiele einer Infektion durch Fehlbesiedlung mit fakultativ-pathogenen Keimen die bakterielle Vaginose und die Vulvovaginalmykose, sowie als Beispiele typischerweise sexuell übertragener Infektionen die Trichomoniasis und Infektionen durch Chlamydia trachomatis dargestellt.

Bakterielle Vaginose

Die in Europa mit etwa 20 % häufigste Dysbiose ist die bakterielle Vaginose. Bei der bakteriellen Vaginose findet sich eine starke Verminderung der Laktobazillen und gleichzeitig eine starke Vermehrung anaerober Keime, wie z. B. Gardnerella vaginalis, Prevotella spp., Streptokokkenarten, aber auch eine Vermehrung von Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis.

Klinik und Diagnostik

Diagnostische Kriterien der bakteriellen Vaginose sind die nach Richard Amsel benannten vier Kriterien, von denen mindestens drei erfüllt sein sollten:

  • grau-weißer Fluor
  • unangenehmer („fischiger“) Geruch, besonders nach Zugabe von KOH-Lösung
  • pH Wert > 4,4
  • im Nativpräparat mikroskopisch charakteristische Schlüsselzellen „Clue Cells“ (über 20 % der Zellen)

Objektiver standardisiert ist der Nugent-Score (1) nach Gram-Färbung (s. Tab. 1). Da die Scheidenwand bei der bakteriellen Vaginose nicht entzündlich verändert ist, liegt keine Kolpitis vor, und die Patientinnen haben in der Regel keine Schmerzen.

grampositive Stäbe (Laktobazillen) Nugent-Score
4+ (>30/Gesichtsfeld) 0
3+ (5–30/Gesichtsfeld) 1
2+ (1–4/Gesichtsfeld) 2
1+ (<1/Gesichtsfeld) 3
0 (keine in 5 Gesichtsfeldern) 4
gramnegative bzw. gramlabile Stäbe (z. B. Gardnerella, Prevotella, Bacteroides)  
4+ (>30/Gesichtsfeld) 4
3+ (5–30/Gesichtsfeld) 3
2+ (1–4/Gesichtsfeld) 2
1+ (<1/Gesichtsfeld) 1
0 (keine in 5 Gesichtsfeldern) 0
gramlabile gebogene Stäbe (Mobiluncus)  
4+ (>30/Gesichtsfeld) 2
3+ (5–30/Gesichtsfeld) 2
2+ (1–4/Gesichtsfeld) 1
1+ (<1/Gesichtsfeld) 1
0 (keine in 5 Gesichtsfeldern) 0

Nugent-Score 0–3 (negativ): Kein Anhalt für eine bakterielle Vaginose
Nugent-Score 4–6 (intermediär): Ergebnis in Zusammenschau mit der klinischen Symptomatik zu beurteilen
Nugent-Score 7–10 (positiv): Vom Vorliegen einer bakteriellen Vaginose ist auszugehen.

Das Vorhandensein von Clue Cells und/oder Hefepilzen wird im Befund angegeben, findet jedoch keine Berücksichtigung bei der Berechnung des Nugent-Scores.

Therapie

Standardtherapie der bakteriellen Vaginose (außer in der Frühschwangerschaft) ist seit ca. 40 Jahren Metronidazol oral oder vaginal. Auch Clindamycin Vaginalgel oder Nifuratel Vaginal-tabletten und Dequaliniumchlorid sind wirksam.

In ca. 10–20 % der Fälle erholt sich die Scheidenflora auch ohne antibiotische Therapie innerhalb mehrerer Wochen. Die Rezidivrate innerhalb der ersten Monate ist mit 60 – 70 % hoch. Die vaginale Applikation von Milchsäurebakterien führt zu einer signifikanten Verbesserung der Scheidenflora und reduziert die Rezidivrate.

Komplikationen

Das Vorliegen einer bakteriellen Vaginose birgt erhöhte Risiken für aufsteigende bakterielle Infektionen (besonders bei operativen Eingriffen mit Auflösen der Zervixbarriere, wie Einlage eines IUP oder einer Curettage). Auch das Risiko für eine Infektion mit sexuell übertragenen Erregern ist erhöht.

Im Rahmen einer Schwangerschaft kann eine von Beginn der Schwangerschaft an bestehende bakterielle Vaginose zu Komplikationen wie erhöhtem Risiko von Früh- und Spätaborten, ggf. Frühgeburtlichkeit durch vorzeitige Wehen, Zervixinsuffizienz, vorzeitigem Blasensprung, Amnioninfektionssyndrom und postpartaler Endometritis führen.

Vulvovaginalmykose

Die Vulvovaginalmykose wird in 85 – 90 % der Fälle durch Candida albicans verursacht, wobei auch Spezies wie C. glabrata, C.tropicalis, C. krusei und noch einige andere Erreger ursächlich sein können. Candida spp. sind säureresistent und können daher auch in physiologischen pH-Bereichen der Scheide überleben. Candida spp. ist über die Ernährung bisweilen transient im Darm und schließlich im Stuhl zu finden. Kontakt zu Candida ist daher kaum vermeidbar und das asymptomatische Vorkommen in geringer Menge nicht als pathologisch zu werten.

Die Vulvovaginalmykose kommt in allen Altersgruppen vor, wobei durch die Präferenz des gut östrogenisierten Scheidenmilieus hauptsächlich Frauen im reproduktiven Alter betroffen sind. Neben der Besiedlung durch Candida ist zur Entstehung einer Mykose eine weitere Disposition erforderlich (z. B. bakterielle Dysbiose durch antibiotische Therapie oder ein Diabetes mellitus mit Immundefizienz und zusätzlich erhöhtem Glukoseangebot für die Hefepilze).

Klinik

Klassische Symptome einer Vulvovaginalmykose sind Juckreiz im Introitus, „weiß-bröckeliger“ Fluor, Rötung, Schwellung und Brennen. Die alleinige klinische Diagnose ist oft schwierig, da Juckreiz im Bereich des Introitus differentialdiagnostisch diverse andere Ursachen haben kann (u. a. eine atopische Vulvitis, eine Herpes-simplex-Infektion oder ein früher Lichen sclerosus). Chronisch rezidivierende Vaginalmykosen (mindestens 4x/Jahr) sollten an ursächliche Begleiterkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus, Immundefekte oder auch allergische Reaktionen denken lassen und erfordern eine entsprechende Abklärung.

Diagnostik

Neben der meist klassischen Anamnese finden sich im Nativpräparat meist Sprosszellen mit Pseudohyphen und Pseudomyzelien, ggf. sollte (besonders bei Rezidiven) eine Pilzkultur angelegt werden.

Therapie Generell sollten nur Patientinnen mit Beschwerden therapiert werden! Ausnahme ist eine asymptomatische Candida-Kolonisation in den letzten Wochen der Schwangerschaft (Prävention von Mundsoor oder Windeldermatitis der Neugeborenen im 1. Lebensjahr).Die Therapie sollte zunächst topisch mit den handelsüblichen Präparaten als 1-, 3-, 6,- oder 7-Tagestherapie erfolgen (z. B. Clotrimazol oder Nystatin).

Eine systemische Behandlung mit Antimykotika sollte nur den persistierenden und chronisch rezidivierenden Formen vorbehalten werden (z. B. als Langzeittherapie mit Fluco-nazol oral). Auch Impfstoffe zur Verbesserung der „Immunabwehr der Scheide“ und somit Hoffnung auf Reduktion der Vaginalmykosen sind in einigen Praxen gängig.

Trichomoniasis

Trichomonas vaginalis ist der Erreger der vaginalen Trichomoniasis. Bei dieser Infektion handelt es sich um eine nicht meldepflichtige sexuell übertragbare Erkrankung (STI). Da die Trichomonaden optimale Bedingungen bei pH-Werten um 5 haben, ist die Trichomoniasis häufig mit einer bakteriellen Vaginose vergesellschaftet.

Bei einer Trichomoniasis Infektion steigen die Risiken u. a. für aufsteigende Infektionen mit Salpingitis, damit einhergehend Risiken der Infertilität, bei Gravidität für Frühgeburtlichkeit und für die Entwicklung eines Zervixkarzinoms.

Klinik

Das Krankheitsbild der Trichomoniasis vaginalis ist gekennzeichnet durch reichlich grün-gelben, häufig schaumigen Fluor ohne typischen Geruch. Vaginal finden sich meist Zeichen einer Kolpitis, gelegentlich verläuft die Infektion auch symptomarm. Auch leichte Unterbauchschmerzen kommen bei einigen Patientinnen vor.

Diagnostik

Häufig können die beweglichen Trichomonaden neben vielen Leukozyten schon leicht im Nativpräparat entdeckt werden. Auch eine zytologische Identifizierung ist möglich. Weil Trichomonaden keine Zysten bilden und die Trophozoiten schnell absterben und zerfallen, muss die mikroskopische Untersuchung unverzüglich vorgenommen werden. Da die Sensitivität der Mikroskopie < 80 % beträgt, bietet sich im Zweifelsfall die PCR an. 

In der STI Multiplex-PCR Diagnostik von LADR werden aktuell folgende Erreger praktischerweise erfasst:

  • Chlamydia trachomatis
  • Neisseria gonorrhoea
  • Mycoplasma genitalium
  • Mycoplasma hominis
  • Ureaplasma urealyticum
  • Ureaplasma parvum
  • Trichomonas vaginalis
  • Herpes simplex Virus Typ 1 und 2

Therapie

In jedem Fall sollte eine kombinierte Partnertherapie mit Metronidazol oral erfolgen.

Chlamydia trachomatis Infektion

Die Infektion mit Chlamydia trachomatis ist die in Deutschland am häufigsten vorkommende sexuell übertragbare Erkrankung und ist nicht meldepflichtig. Ca. 5 – 10 % der sexuell aktiven Bevölkerung in Deutschland ist infiziert (Prävalenz abhängig vom Lebensalter). Für die gynäkologischen Erkrankungen sind, wenn von dem in Deutschland seltenen Lymphogranuloma venereum abgesehen wird, die Serotypen D-K relevant.

Klinik

Klinisch dominant sind Symptome der Zervizitis wie gerötete Portio mit ödematöser Ektopie, mukopurolenter Fluor, ggf. Kontaktblutungen. Bei Urethritis kommen Symptome wie Harndrang und Dysurie dazu. In bis zu 70 % der Fälle verlaufen die Infektionen jedoch völlig symptomlos, wodurch sie häufig unbemerkt übertragen werden!

Klinisch bedeutend ist die Gefahr der Aszension mit möglicher Entwicklung einer Endometritis, Salpingitis bis hin zum Tuboovarialabszess mit Perihepatitis (Fitz-Hugh- Curtis-Syndrom). Folgen reichen von chronisch rezidivierenden Unterbauchschmerzen bis zu Extrauteringraviditäten und Infertilität. Bei einer Infektion in der Schwangerschaft besteht neben der Gefahr der perinatalen Infektion ein erhöhtes Risiko für vorzeitigen Blasensprung bzw. genereller Frühgeburtlichkeit.

Diagnostik

Bei klinischem Verdacht sollte ein Erregerdirektnachweis mittels PCR vom Material eines trockenen Zervixabstriches oder Erststrahlurins erfolgen. Im selben Untersuchungsgang sollteeine Gonorrhoe ausgeschlossen werden, zumal Doppelinfektionen vorkommen. Generell sollten in diesen Fällen auch Untersuchungen auf weitere sexuell übertragbare Infektionen veranlasst werden.

Lesen sie hier mehr zum Thema Präanalytik: Chlamydia trachomatis-Screening

Therapie

Standardtherapie ist die antibiotische Behandlung mit Doxycyclin, Levofloxacin, Erythromycin oder Azithromycin. In der Schwangerschaft wird die Gabe von Azithromycin oder Erythromycin empfohlen (2). Eine Partnertherapie ist obligat, ein Kontrollabstrich sollte frühestens 4 Wochen nach Therapieende erfolgen.

Früherkennung/Prävention
Die Untersuchung auf C. trachomatis im Erststrahlurin bei Schwangeren wurde vor einigen Jahren in die Mutterschaftsvorsorge aufgenommen. Ebenso wird jungen Frauen vor dem Abschluss des 25. Lebensjahres 1x jährlich eine kostenfreie Untersuchung auf C. trachomatis im Rahmen der Vorsorge angeboten.

Literatur
1. Nugent RP, Krohn MA, Hillier SL, Reliability of diagnosing bacterial vaginosis is improved by standardized method of gram stain interpretation. J Clin Micorbiol 1991; 29;297–301
2. 059/005. AWMF. S2k-Leitlinie Infektionen mit Chlamydia trachomatis. Stand 08/2016.2. 059/005. AWMF. S2k-Leitlinie Infektionen mit Chlamydia trachomatis. Stand 08/2016.

  • Analysen
  • Ansprechpartner
  • Downloads

Ansprechpartner