Rich-Edwards JW, al.: Adolescent body mass index and infertility caused by ovulatory disorder. Am J Obstet Gynecol. 1994 Jul;171(1):171-7.

Übergewicht und Kinderwunsch

Die Fruchtbarkeit wird u. a. auch durch das Körpergewicht beeinflusst. Sowohl Unter- als insbesondere auch Übergewicht wirken sich negativ auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit aus. Gerade Übergewicht und Fettsucht (Adipositas) nehmen seit vielen Jahren in allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren) stetig zu.

Trotz unzähliger Diäten, Fitnesstrends und Abnehmprogramme der Krankenkassen bzw. entsprechender Apps fürs Smartphone ist mittlerweile die Hälfte der Bevölkerung in den Industrieländern übergewichtig oder fettleibig. Diese Tendenz nimmt von Jahr zu Jahr zu.

Während das erhöhte Risiko für Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder die Häufigkeitszunahme von Krebserkrankungen bei Übergewicht durchaus allgemein bekannt ist, wissen viele Paare nicht, dass die Fruchtbarkeit mit zunehmendem Übergewicht abnimmt und die Fehlgeburtsrate sowie Schwangerschaftskomplikationen zunehmen. Dabei wirkt sich das erhöhte Körpergewicht auch auf das ungeborene Kind und seine Gesundheit nach der Geburt aus.

Mit dem Body-Mass-Index (BMI) oder Körpermassenindex lässt sich das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße bewerten. Ein BMI zwischen 25 und 29,9 gilt als Übergewicht und ein BMI ab 30 als Adipositas (Abb. 1). Frauen mit einem BMI über 30 zeigen ein fast 3-fach höheres Risiko für Infertilität im Vergleich zu den Frauen mit einem normalen BMI (Abb. 2).

Abb. 1: Body-MassIndex (BMI)

Warum nimmt die Fruchtbarkeit mit zunehmendem Übergewicht ab?

Das Fettgewebe dient nicht nur als einfacher Speicher überschüssiger Kalorien, sondern ist auch ein hormonell aktives System. Insbesondere bei Übergewicht infolge vermehrter Fettablagerungen im Bauchbereich kommt es zur Ausschüttung zahlreicher Botenstoffe, durch die das Fettgewebe sehr viele andere Organsysteme beeinflussen kann.

So sind Auswirkungen auf die Insulinsekretion, auf die Leber, auf die Androgenproduktion, aber auch auf die Steuerzentrale der Sexualhormone, den Hypothalamus und die Hirnanhangdrüse bekannt. Darüber ist eine direkte Beeinflussung der Eierstockfunktion wahrscheinlich. Das alles spiegelt sich in Zyklusstörungen und einer Abnahme der Fruchtbarkeit wider. 

Ausbildung einer Insulinresistenz mit Zunahme des Bauchumfangs

Die Resistenz der abdominalen Fettzellen gegen die Wirkung des Hormons Insulin wird von dem gesunden Inselzellapparat der Bauchspeicheldrüse mit einer erhöhten basalen und postprandialen Insulinsekretion beantwortet. Die erhöhten Insulinspiegel begünstigen das Auftreten spätpostprandialer Hypoglykämien, was zu einer Verkürzung der Essabstände führt. Außerdem hat das Insulin am Ovar eine LH(luteinisierendes Hormon)- ähnliche Wirkung mit Stimulation der ovariellen Androgensynthese. In der Leber hemmt Insulin die Produktion von SHBG (Sexualhormonbindendes Globulin), so dass ein erhöhter freier Androgenanteil und damit eine vermehrte biologische Androgenwirkung des Testosterons resultiert (Abb. 3). Zyklusstörungen und anovulatorische Zyklen werden begünstigt. Es besteht ein enger Zusammenhang mit dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS).

Zur Diagnose einer Insulinresistenz bietet sich eine Bestimmung des HOMA-Index (Homeostasis Model Assessment) an, indem das Verhältnis von Nüchterninsulin zu Nüchternglucose berechnet wird. Die basale und stimulierte Bestimmung von Glucose und Insulin im Rahmen eines oralen Glucosetoleranztests (oGTT) hat eine höhere Sensitivität. Der umfangreichere Stimulationstest hat den Vorteil, dass auch eine Aussage über die Insulindynamik möglich ist. Bei der Glucosebestimmung aus dem Serum ist wegen der In-vitro-Glykolyse mit der Möglichkeit falsch niedriger Messwerte zu rechnen. Dies kann dazu führen, dass bei der Bestimmung der Glucose aus Serum durch falsch niedrige Werte ein Diabetes mellitus übersehen wird.

Es wird daher für die Erstdiagnose empfohlen, die Plasmaglucose aus einem Citrat-Fluorid(CF)-Röhrchen bzw. aus separiertem Plasma von einem sofort zentrifugierten Natriumfluorid(NaF)-Röhrchen zu bestimmen. Citrat-Fluorid und Natriumfluorid hemmen die In-vitro-Glykolyse, die ansonsten bei der Bestimmung aus venösem Vollblut/Serum bzw. kapillärem Vollblut zufalsch niedrigen Werten führen kann. Die Verwendung dieser Röhrchen erhöht damit die Sicherheit in der medizinischen Labordiagnostik für die betroffenen Patienten.

Abb. 2: Relatives Risiko für Infertilität mit zunehmendem BMI

Abb. 3: Schema zu den Auswirkungen einer Insulinresistenz beim PCOS

Bei nachgewiesener Insulinresistenz kommt neben der wesentlichen Gewichtsabnahme eine Therapie mit Metformin im Rahmen eines Heilversuchs in Betracht. Da Metformin nur eine Zulassung für Diabetes mellitus besitzt, kann keine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen bei der Indikation Insulinresistenz und Kinderwunsch erfolgen. Die Patientinnen müssen mit Therapiekosten von 8 bis 10 Euro pro Monat rechnen. Metformin erhöht in Verbindung mit einer Stimulation, z. B. Clomifen, die Schwangerschaftsrate signifikant. In der Regel werden beide Substanzen in der Kinderwunschbehandlung kombiniert. Metformin sollte aber mit dem Eintritt einer Schwangerschaft abgesetzt werden.

Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)

Beim polyzystischen Ovarialsyndrom handelt es sich um eine Störung der Follikelreifung infolge einer Fehlsekretion der Gonadotropine und einer Hyperandrogenämie. Durch die verzögert auftretende oder ausbleibende Ovulation kommt es zu einer Oligo-/Amenorrhoe. Die übergewichtigen PCO-Patientinnen weisen in der Regel auch eine Insulinresistenz auf, welche auf Ebene der Ovarien die Androgensekretion begünstigt. Klinisch finden sich Androgenisierungszeichen an der Haut, wie Akne, Seborrhoe und Hirsutismus. Die Tendenz zur weiteren Gewichtszunahme verstärkt sowohl die Insulinresistenz als auc hdie Ovarfunktionsstörung. Im Vordergrund der Therapie bei unerfülltem Kinderwunsch steht bei übergewichtigen PCO-Patientinnen eine Gewichtsreduktion sowie die medikamentöse Herbeiführung von Zyklen mit Eisprung.

Diagnostik

Vaginalsonographie zur Beurteilung der Ovarien, Bestimmung von Testosteron, SHBG, DHEAS (3.–5. Zyklustag). Zusätzlich je nach klinischer Situation auch Insulinresistenz abklären, z. B. HOMA-Index mit dem Nüchterninsulin und der Nüchternglucose (s. o.). Bei PCOS und Kinderwunsch sollte auch eine Bestimmung von AMH (Anti-MüllerHormon) vor einer geplanten Stimulation veranlasst werden, um das Ansprechen der Ovarien auf die Behandlung abschätzen zu können.

Über die genetischen Grundlagen des PCOS ist noch wenig bekannt. Genpolymorphismen der adrenalen und ovariellen Steroidbiosynthese sowie des Insulinstoffwechsels scheinen bei der Pathogenese des PCOS eine Rolle zu spielen. Veränderungen des CYP11A-Gens sind mit einem PCOS assoziiert. Bei einem Viertel der PCOSPatientinnen mit erhöhter adrenaler Androgensekretion finden sich Mutationen im CYP21B-Gen. Im Insulinstoffwechsel können Varianten im Insulinrezeptorgen nachgewiesen werden, was die hohe Prävalenz der Insulinresistenz bei PCOS reflektiert.

Abrechnungen

Parameter Material EBM GOÄ
Ziffer Ziffer € (1,15- fach)
Glucose 1 ml Vollblut in Citrat-FluoridRöhrchen oder 1 ml NaF-Plasma 32057 0,25 € 3560 2,68 €
Insulin 1 ml Serum 32359 6,40 € 4025 16,76 €
17-β-Östradiol 1 ml Serum 32356 4,60 € 4039 15,64 €
β-hCG (humanes Choriongonadotropin) 1 ml Serum 32352 6,10 € 4024 16,76 €
LH (luteinisierendes Hormon) 1 ml Serum 32354 4,90 € 4026 16,76 €
FSH (follikelstimulierendes Hormon) 1 ml Serum 32353 4,50 € 4021 16,76 €
AMH (Anti-MüllerHormon) 1 ml Serum 32361 8,10 € 4069 33,52 €

 

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