AWMF S1-Leitlinie Long/ Post-COVID (Stand: 17.08.2022), AWMF-Registernummer: 020-027. 020-027l_S1_Post_COVID_Long_COVID_2022-08.pdf (awmf.org)

Leitlinie des britischen National Institute for Health and Care Excellence vom 18.12.2020 (letztes Update/Stand: 11.11.2021). Overview | COVID-19 rapid guideline: managing the long-term effects of COVID-19 | Guidance | NICE

Renz-Polster, H., Scheibenbogen, C. Post-COVID-Syndrom mit Fatigue und Belastungsintoleranz: Myalgische Enzephalomyelitis bzw. Chronisches Fatigue-Syndrom. Innere Medizin 63, 830–839 (2022). https://doi.org/10.1007/s00108-022-01369-x

Carruthers BM, Myalgic encephalomyelitis/Chronic fatigue syndroms: International Consensus Criteria, 2003. Kanadische Kriterien für die Diagnose CFS/ME, Kanadische_Kriterien_mitAuswertung.pdf (charite.de)

Cotler J, Holtzman C, Dudun C, Jason LA. A Brief Questionnaire to Assess Post-Exertional Malaise. Diagnostics (Basel). 2018 Sep 11;8(3):66. https://doi.org/10.3390/diagnostics8030066PEM_DSQ.pdf (charite.de)

Long COVID (Stand: 19.7.2022). RKI - Coronavirus SARS-CoV-2 - Long COVID (Stand: 19.7.2022)

Long-/Post-COVID

Übersicht zur Erkrankung und ihrer Differentialdiagnostik unter besonderer Berücksichtigung der Labormedizin

Definition Long-/Post-COVID

Bei verschiedenen, insbesondere viralen Infektionskrankheiten, sind anhaltende Beschwerden in der Medizin bekannt. Im Rahmen der Corona-Pandemie gibt es nach einer akuten COVID-19- Infektion durch den Erreger SARS CoV-2 ebenfalls Patient*innen mit anhaltenden Beschwerden.

Bei Symptomen ab einer Zeitspanne von vier Wochen nach Infektion werden diese als Long-COVID und bei Dauer von mehr als zwölf Wochen als Post-COVID-Syndrom bezeichnet (Abbildung 1).

Abbildung 1: Überblick über die COVID-19 Erkrankung und die zeitliche Definition der Symptome (1) angelehnt an die Empfehlung des britischen NICE, National Institute for Health and Care Excellence (2).

Symptome bei Long-/Post-COVID

Bei Long-COVID zählen zu den nach SARS-CoV-2 Infektion ≥4 Wochen anhaltenden vielfältigen Symptomen körperliche, kognitiv-geistige und psychische Beschwerden, welche die Funktionsfähigkeit im Alltag und die Lebensqualität negativ beeinflussen können (Abbildung 2). Die Beschwerden können allein oder auch in Kombination auftreten und können von sehr unterschiedlicher Dauer sein.

Sehr häufig werden Symptome wie Fatigue, Konzentrations­schwierigkeiten, Luftnot und sowohl eingeschränkte körperliche als auch geistige Leistungsfähigkeit beschrieben. Bei einer deutlichen Anzahl von Patient*innen kommt es im Verlauf zu einer Spontanheilung oder zu einer deutlichen Abschwächung der Symptome.

Abbildung 2: Einteilung der Symptomhäufigkeit von Long-/Post-COVID nach Literatur ohne Anspruch auf Vollständigkeit (1).

Bei einem sehr geringen Anteil der Personen entwickelt sich infolge der SARS-CoV-2-Infektion ein Komplex aus Symptomen, der Ähnlichkeit mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS, Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom) aufweist und mindestens sechs Monate nach SARS-CoV-2-Infektion fortdauert.

Schwere chronische Beeinträchtigungen der körperlichen und psychischen Funktionsfähigkeit und eine ausgeprägte Verschlechterung nach leichter körperlicher Belastung (PEM, Post Exertional Malaise = Belastungsintoleranz) sind charakteristisch für dieses Krankheitsbild einer ME/CFS.

Die klinische Diagnose ME/CFS sollte bei seit mindestens sechs Monaten bestehenden Symptomen anhand etablierter Kriterien nach Ausschluss anderer Erklärungen einer Fatigue erfolgen. Die Differentialdiagnose bei Fatigue beinhaltet eine Vielzahl von Erkrankungen (siehe Tabelle 1), sodass in Abhängigkeit des gesamten Krankheitsbildes nach einer hausärztlichen Abklärung (siehe letzten Abschnitt dieses Artikels) auch unter Umständen weitere Fachgebiete interdisziplinär hinzugezogen werden müssen.

Die kanadischen Konsenskriterien der ME/CFS müssen erfüllt sein, siehe z.B. Fragebogen der Charité Universitätsmedizin Berlin (4). In Bezug auf die klinische Diagnose Belastungsintoleranz PEM sollte der ebenfalls standardisierte Fragebogen DePaul Symptom Questionnaire (DSQ-PEM) Verwendung finden (5).

Tabelle 1: Differentialdiagnose bei Fatigue im Rahmen des klinischen Verdachts auf Long-/Post-Covid (3)

Rheumatologie

  • Fibromyalgiesyndroma
  • Polymyalgia rheumatica,undifferenzierte Kollagenose
  • Lupus erythematodes
  • Sjörgren-Syndrom
  • Sarkoidose
  • Morbus Bechterew/Psoriasisarthritis

Endokrinologie/Gynäkologie

  • Diabetes mellitus
  • Hypothyreose
  • Hashimoto-Thyreoiditisa
  • Morbus Addison
  • Hyperkalzämie
  • Endometriosea

Immunologie/Hämatologie/Onkologie

  • Maligne Erkrankungen ("Tumorfatigue"), auch in Folge von onkologischer Therapie
  • Immundefekte (z.B. CVID)
  • Anämie, Eisenmangel

Infektionen

  • Postinfektiöse Fatigue
  • ZNS-Borreliose
  • AIDS
  • Chronische Sinusitis
  • Chronische Hepatitis

Gastroenterologie

  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
  • Zöliakie
  • Primäre biliäre Zirrhose/primäre sklerosierende Cholangitis
  • Morbus Meulengracht
  • Chronische Enterovirusinfektionen

Neurologie/Psychiatrie

  • Depression, Somatisierungsstörung
  • Multiple Sklerose
  • Myasthenia gravis
  • Erkrankungen des Hypermobilitätsspektrums, z.B. hypermobiles Ehlers-Danlos-Syndrom
  • Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer
  • Schlafstörungen aller Art, insbesondere Schlafapnoesyndrom
  • Zervikale Spinalstenose/Schleudertrauma der Halswirbelsäule
  • Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, Autismus

Andere

  • Chronische Organerkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz)
  • Nebenwirkungen von Medikamenten (Antidepressiva, Interferone, Checkpointinhibitoren)
  • Mitochondriale Myopathie

Labordiagnostik in der Basis- und Differentialdiagnostik von Long-/Post-Covid

Die Diagnose eines Long/Post-COVID-Syndroms kann weder durch eine einzelne Laboruntersuchung noch durch ein Panel an Laborwerten diagnostiziert bzw. objektiviert werden. Ebenso schließen normale Laborwerte ein Long/Post-COVID-Syndrom nicht aus.

Wenn (neu aufgetretene) Symptome oder Beschwerden nach einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion den Verdacht auf ein Long/Post-COVID-Syndrom lenken, sind allerdings immer Differentialdiagnosen zu bedenken und ggf. auszuschließen (siehe Tabelle 1).

Zur Labor-Basisdiagnostik bei klinischem Verdacht auf Long-/Post-COVID gehören das Blutbild (Anämie, Zytopenie), GOT (AST), GPT (ALT), GGT, Kreatinin, Harnstoff, TSH (fT3, fT4), CRP, BSG und der Urinstix. Die weiterführende Labordiagnostik spielt je nach Leitsymptomen bei der Differentialdiagnostik von Long-/Post-Covid eine sehr wichtige Rolle. Unsere Empfehlungen in der Differentialdiagnostik haben wir auf Basis einer wissenschaftlichen Begleitung entwickelt (siehe den folgenden Absatz). Beispielsweise können D-Dimere, Troponin T und NT-proBNP bei kardiopulmonalen Symptomen oder Belastungsintoleranz sowie Auto-Antikörperdiagnostik bei autoimmunologischer Differentialdiagnostik z.B. bei Gelenk- oder Hauterscheinungen entscheidende Hinweise liefern. Die Gerinnungsdiagnostik mit D-Dimeren, Lupus Antikoagluans und Antiphospholipid-Antikörpern kann frühzeitig Hinweise für eine thrombophile Diathese geben.

Wissenschaftliche Begleitung der labordiagnostischen Differentialdiagnostik zu Long-COVID

Unsere symptom- und indikationsbezogenen Empfehlungen für die labordiagnostische Abklärung im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts zur retrospektiven Auswertung von Daten der Patientenversorgung in der Routine mit der Universität zu Marburg finden Sie im Long COVID-Anforderungs-Begleitbogen (siehe Abbildung 3).

Die Universität zu Lübeck hat der Ethikanzeige zur retrospektiven und anonymisierten wissenschaftlichen Auswertung der erhobenen Labordaten und klinischen Angaben mit einem positiven Votum zugestimmt (AZ 2022-496).

Bestellen Sie kostenfrei den speziellen Long-COVID-Anforderungs-Begleitbogen (Intermed Best.-Nr. 117749) zum Muster 10 Anforderungsformular zur gezielten Anforderung definierter Laborparameter je nach klinischer Indikation und deren wichtiger Angabe (Rückseite) bei klinischen Verdacht auf Long-COVID in Ihrem LADR Labor vor Ort.

Bestellbar bei unserem Partnerunternehmen Intermed für Entnahme- und Versandmaterial:

Freecall: 0800 08 50-113
Freefax: 0800 08 50-114

» zur Intermed Webseite

Abbildung 3: Long-COVID-Anforderungs-Begleitbogen (Intermed Bestellnummer: 117749) zur gezielten Anforderung definierter Laborparameter je nach klinischer Indikation und deren wichtiger Angabe bei klinischen Verdacht auf Long-COVID in Ihrem LADR Labor vor Ort. Angaben zur retrospektiven und anonymisierten wissenschaftlichen Datenauswertung finden Sie unten. Vorder- und Rückseite verwenden.

Vorderseite (Parameteranforderung)

Rückseite (klinische Angaben)

 

Häufigkeit von Long-/Post-COVID

Die Häufigkeit des Long-/Post-COVID-Syndroms ist noch nicht abschließend charakterisiert und hängt auch von verschiedenen Typen des Schweregrads bzw. unterschiedlich betroffenen Organsysteme sowie der die Erkrankung verursachenden Virusvariante ab. Die bisher festgestellte Häufigkeit variiert zudem je nach untersuchter Studienpopulation der Patient*innen nach COVID.

Die Häufigkeit wird in Untersuchungen, in denen Patient*innen selbst ihre Symptome angeben, höher eingeschätzt. Allerdings suchen nur ca. 6% der Menschen nach akuter SARS-CoV-2-Infektion eine hausärztliche oder fachärztliche Betreuung auf. Bei 13,3% der SARS-CoV-2-positiven Studienteilnehmer*innen traten Symptome ≥ 28 Tage, bei 4,5% ≥ 8 Wochen und bei 2,3% ≥ 12 Wochen auf. Eine sehr gute Darstellung zu aktuellen Informationen über Long COVID befindet sich auf der Webseite des Robert Koch-Instituts (6).

Die Häufigkeit korreliert mit dem Ausmaß von Komorbiditäten. Somatische oder psychosomatische Beschwerden in der Anamnese bzw. eine hohe psychosoziale Belastung begünstigen die Manifestation eines Long/Post-COVID-Syndroms.

In der Betreuung der Patient*innen mit Long/Post-COVID besteht dabei die Herausforderung, zwischen SARS-CoV-2-bedingten unmittelbaren somatischen und psychischen Störungen, Verschärfung vorbestehender Erkrankungen sowie pandemiebedingten psychosozialen Belastungsfolgen zu unterscheiden. Bislang ist auch unklar, wie groß der kleine Anteil von Menschen mit ME/CFS und PEM nach SARS-CoV-2-Infektion ist.

Ursachen von Long-COVID

Die Ursachen von Long COVID sind noch nicht geklärt, wobei Erkenntnisse hierzu dank intensiver Forschung fortlaufend hinzukommen. So gibt es mittlerweile u.a. Hinweise darauf, dass chronische Entzündungen und Verschlüsse der kleinen Gefäße (Mikrothromben), eine Aktivierung des Epstein-Barr-Virus sowie Autoimmunprozesse an der Entstehung gesundheitlicher Langzeitfolgen beteiligt sind.

Diese Prozesse können auch im Rahmen der labordiagnostischen Abklärung und Differentialdiagnostik Berücksichtigung finden.

Long Post Covid Symposium - Vorträge

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Empfehlung der AWMF Leitlinie zur hausärztlichen Versorgung (angepasst nach:1)

In der primärärztlichen Versorgung ist eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung einschließlich neurologischem, funktionellem und psychischem Status zu empfehlen. Die gezielte Befunderhebung unter besonderer Berücksichtigung neu aufgetretener oder vermehrt und verändert auftretender Symptome und Einschränkungen vorbestehender Erkrankungen sowie Basisdiagnostik im Labor ist von zentraler Bedeutung.

1. Empfehlung:

Nach primärärztlicher Basisdiagnostik inklusive der Basis-Labordiagnostik und ggf. differentialdiagnostisch je nach Leitsymptomen weiterführender Labordiagnostik ist bei klinischer Stabilität der Symptomatik bei den Betroffenen zunächst ein abwartendes Vorgehen unter primärärztlicher Betreuung zu empfehlen. Einzelne Leitsymptome sollten je nach Schweregrad eine Abklärung mittels weiterführender oder begleitender Diagnostik beinhalten.

2. Empfehlung:

Bei Warnhinweisen in der Basisdiagnostik sowie klinischer Verschlechterung oder Unklarheiten sollte den Betroffenen in jedem Fall eine vertiefende Diagnostik und/oder eine Überweisung an geeignete Fachdisziplinen angeboten werden.

3. Empfehlung:

Eine erhöhte Aufmerksamkeit und ein Vorgehen entsprechend den Prinzipien der psychosomatischen Grundversorgung ist bei den nachfolgenden Symptomen frühzeitig zu empfehlen, u.a. um einer möglichen Chronifizierung vorzubeugen: ähnliche somatische oder psychosomatische Beschwerden in der Anamnese, hohe psychosoziale Belastung, frühere gehäufte Konsultationen mit unergiebiger somatischer Diagnostik.

Warnhinweise:

Als Warnhinweise sind ein schlechter Allgemeinzustand, eine signifikante Gewichtszu- bzw. abnahme, unerklärliche oder neu aufgetretene neurologische Auffälligkeiten (Sensibilität, Motorik, Schlucken, Sprache und Kognition), neue Schmerzsymptomatik, schlechte oder sich verschlechternde somatische oder psychische Befunde sowie unerklärliche Auffälligkeiten in der Basisdiagnostik zu verstehen. Diese sollten Anlass zu einer vertiefenden ggf. fachspezifischen Diagnostik oder ggf. einer Überweisung z. B. in eine Post-COVID-Ambulanz geben.

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