Wichtig: Durch Arzneimittel können alle Schädigungsmuster verursacht werden. Die Internetseite der „National Library of Medicine“ (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK547852/) gibt Informationen zur Lebertoxizität von über 650 Arzneimitteln.
Erhöhte Leberwerte
Erhöhte Leberwerte sind ein häufiger Befund im klinischen Alltag, überwiegend festgestellt im Rahmen der Abklärung von unspezifischen Beschwerden oder einer allgemeinen Gesundheitsvorsorgeuntersuchung.
Nach verschiedenen Studien finden sich erhöhte Leberwerte, passager oder chronisch, bei etwa 20% aller untersuchten Patienten mit deutlich gestiegenen Zahlen innerhalb der letzten 10 Jahre. Wegen der Vielfalt der möglichen Ursachen stellen sie damit eine zunehmende diagnostische Herausforderung dar.
Basisdiagnostik
Zur Basisdiagnostik zählen die Enzyme GOT (ASP), GPT (ALT), Gamma-GT (GGT) und ggf. AP (Alkalische Phosphatase). Einmalig leicht erhöhte Leberwerte stellen meist keinen Anlass für eine weitere Diagnostik dar. Allerdings sollten chronische, d. h. über 6 Monate bestehende Erhöhungen bzw. Erhöhungen um das > 3-fache des Normbereichs weiter abgeklärt werden. Dafür können neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung die unten genannten Quotienten aus den gemessenen Enzymen zur Einschätzung im Hinblick auf Ursache und Ausmaß einer Funktionsstörung hinzugezogen werden.
Mit der simultanen Bestimmung von GOT (AST), GPT (ALT) und Gamma-GT lassen sich 95% aller Lebererkrankungen erkennen, wobei die Höhe der Werte selten Rückschlüsse auf das Ausmaß der Leberschädigung zulässt.
Referenzwerte der Labore im LADR Laborverbund Dr. Kramer & Kollegen
Normwerte in U/L | Männer | Frauen |
---|---|---|
GOT | < 50 | < 35 |
GPT | < 50 | < 35 |
Gamma-GT | < 60 | < 40 |
Alkalische Phosphatase | 40 - 130 | 35 - 105 |
Eine isoliert erhöhte Gamma-GT ist nicht nur mit einer gesteigerten krebs- und diabetesbedingten Sterblichkeit assoziiert, sie stellt auch einen Marker für das kardiovaskuläre Risiko dar. Selbst chronisch nur leicht erhöhte Leberwerte sind mit einer deutlich gesteigerten leberbedingten Mortalität assoziiert.
Um eine schwerwiegende und behandelbare Lebererkrankung möglichst frühzeitig diagnostizieren und therapieren zu können, sollte grundsätzlich eine Abklärung angestrebt werden, auch wenn metabolisches Syndrom, Alkoholabusus sowie Medikamente die häufigsten Ursachen darstellen.
Welche Vorgehensweise bei erhöhten Leberwerten wird empfohlen?
Zunächst sollte eine Einschätzung von Schweregrad und Leberfunktion erfolgen. Zeichen, die auf eine akute Gefährdung des Patienten hinweisen und eine stationäre Einweisung oder eine endoskopische Intervention erforderlich machen:
- Gallengangsobstruktion mit Cholangitis (Charcot-Trias II: Ikterus, Fieber, Schmerzen)
- Leberwerte über das 100-Fache der Norm erhöht. Ursächlich sind meist akute Ereignisse wie Virushepatitis, Vergiftung (Paracetamol, Pilzvergiftung), seltener kardiale (Rechtsherzinsuffizienz) oder vaskuläre Ursachen (z.B. Budd-Chiari-Syndrom).
- Neben pathologischen Leberfunktionstests (Cholinesterase, Quick/INR, Albumin) liegen auch Zeichen der Dekompensation wie Ascites, Foetor hepaticus oder Bewusstseinseintrübung vor.
Bei Patienten, deren Leberwerte erstmalig erhöht nachgewiesen werden und das Zweifache des oberen Normwertes nicht übersteigen, kann zunächst eine Kontrolle in 2–3 Monaten erfolgen. Passagere Leberwerterhöhungen treten z.B. im Rahmen von Virusinfekten aus der Herpesgruppe (EBV, CMV, HSV, VZV) auf.
Bei erneutem Nachweis oder bereits bei Erstbefund von um mehr als das Zweifache des Normbereichs erhöhten Werten sollte eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden. Zurzeit existiert kein kostengünstiger evidenzbasierter Algorithmus, der einen standardisierten Ablauf ermöglicht.
Daher ist für ein zielgerichtetes differenzialdiagnostisches Vorgehen neben einer körperlichen Untersuchung eine ausführliche Anamnese unerlässlich:
- Medikamenteneinnahme, pflanzliche Substanzen, Tees, Nahrungsergänzungsmittel,Anabolika
- Alkohol-, Drogenabusus
- Hepatitisrisiken (Transfusionen, intravenöser Drogenmissbrauch, Tätowierungen, häufig wechselnde Geschlechtspartner, Auslandsaufenthalte)
- Exposition am Arbeitsplatz
- Lebererkrankungen in der Familie
- extrahepatische Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankungen, rheumatoide Arthritis, Sprue, Lupus erythematodes
- Muskel- oder Gelenkschmerzen
- Hautausschläge
- Blutungsneigung
- Juckreiz, Ikterus, Stuhl- und Urinverfärbungen
- Gewichtsverlust
- Schwangerschaft
Typische, auf eine Lebererkrankung hinweisende körperliche Symptome wie Spider naevi, Caput medusae oder Palmarerythem lassen sich meist erst in späten Stadien der Erkrankung feststellen.
Häufige Lebererkrankungen - Ursachen im Überblick
Auslöser und Ursachen für Lebererkrankungen
Hepatozelluläre Ursachen | Gallenwegserkrankungen | Erkrankungen des Gefäßsystems |
---|---|---|
metabolisch: Alkohol, Fettleber, medikamentös-toxisch | Cholestase (z. B. Steine) | Arterie: Verschlüsse, Ischämie, Infarkt |
infektiös: Viren (Hepatitis A–E, EBV, CMV, Adenoviren etc.) | primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis | Lebervenen: Stauung bei Rechtsherzbelastung, Budd-ChiariSyndrom |
hereditär: Hämochromatose, Morbus Wilson, α1-Antitrypsin-Mangel | Caroli-Syndrom | Pfortader: Thrombose mit portaler Hypertension |
autoimmun: autoimmune Hepatitis | sekundär biliäre Veränderungen (posttraumatisch etc.) |
Leberwerte und differenzialdiagnostische Abklärung
AST (GOT) | ALT (GPT) | GGT | AP | Leberschaden | Anamnese | Beispiele |
---|---|---|---|---|---|---|
↑↑ | ↑↑ | ↑ | (↑) | hepatozelluläre Schädigung (AST und ALT betont) | BMI, Ernährungsprofil, Diabetes mellitus II | NAFLD z.B. NASH |
Reiseanamnese, IVDA, Promiskuität | Virushepatitiden | |||||
Vorerkrankungen, Familienanamnese | Stoffwechselerkrankungen | |||||
Familienanamnese, weitere Autoimmunerkrankung | AIH | |||||
Pharmazeutika, Phytotherapeutika, Nahrungsergänzungsmittel | Medikamente u.a. | |||||
↑ | (↑) | ↑↑ | ↑ | Mischform | Alkoholkonsum | Ethanol (ASH) |
Familienanamnese | Tumor | |||||
Familienanamnese, weitere Autoimmunerkrankung | Autoimmun-Overlap, PBC, PSC | |||||
Medikamente | Medikamente | |||||
↑ | ↑ | ↑↑ | ↑↑ | cholangiozelluläre Schädigung (GGT und AP betont) | Urin-/Stuhl-/Hautveränderungen Pharmazeutika, Phytotherapeutika, Nahrungsergänzungsmittel, Gallensteine, Familienanamnese, weitere Autoimmunerkrankungen | Intra- oder extrahepatische Cholestase, Medikamente, PBC, PSC, Autoimmun-Overlap |
AIH = Autoimmunhepatitis, IVDA = intravenöser Drogenabusus , ASH = alkoholabhängige Steatohepatitis, NAFLD = nicht-alkoholinduzierte Fettlebererkrankung, NASH = nicht-alkoholinduzierte Steatohepatitis, PBC = primär biliäre Cholangitis, PSC = primär sklerosierende Cholangitis. Ergänzung der Basisdiagnostik zur Einschätzung der Funktionsleistung der Leber: Bilirubin, Quick/INR, Serum-Albumin, GLDH, NH3
Einen Hinweis gibt das Leberwertmuster, das eine Einteilung ermöglicht (Tabelle 2).
GOT und GPT betont, hepatozelluläres Schädigungsmuster
Zur weiteren Differenzierung eines hepatozellulären Schädigungsmusters kann das Verhältnis zwischen GOT und GPT herangezogen werden (De-Ritis-Quotient). Er gibt einen Anhalt über das Ausmaß der Leberschädigung, wobei ein Wert < 0,7 eher auf eine Entzündung und ein Wert > 1,0 eher auf einen ausgeprägteren Schaden mit Nekrose hinweist. Er zeigt bei einem Wert von > 2 und gleichzeitig erhöhter Gamma-GT relativ sensitiv einen alkoholischen Leberschaden an.
Bei abklingender Enzymerhöhung und wegen unterschiedlicher Halbwertszeiten sowie bei schwerer Zirrhose kann sich das Verhältnis verschieben.
Häufige Lebererkrankungen mit überwiegend hepatozellulärem Schädigungsmuster:
- NAFLD (nicht-alkoholische Fettlebererkrankung/NASH (nicht-alkoholische Steatohepatitis) sind die mit Abstand häufigsten chronischen Lebererkrankungen, hinweisend insbesondere das Vorliegen eines metabolischen Syndroms, Adipositas, Typ-2-Diabetes, Insulinresistenz. Nachweis per Sonographie, bzw. sicher nur per Leberbiopsie möglich
- Arzneimittelschäden (auch homöopathisch, pflanzlich, Tees etc.)
- Virushepatitis (primär insbesondere Hepatitis B und C abzuklären, ggf. auch Hepatitis D und E; Hepatitis A bei V. a. akuten Infekt)
- Autoimmunhepatitis: Bestimmung von ANA (antinukleäre Antikörper) und ASMA (Antikörper gegen glatte Muskulatur), zusätzlich LKM (Leber-Nieren-Mikrosomen-AK) und Antikörper gegen lösliches Leberprotein SLA (Soluble Liver Antigen)
- hereditäre Hämochromatose (Transferrin, Transferrinsättigung (> 45%) und Ferritin, ggf. Genanalyse des HFE-Gens
- Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (Bestimmung des Alpha-1-Antitrypsin, ggf. Genotypisierung mit Nachweis der Mutationen Pi-S und Pi-Z
- Morbus Wilson (erniedrigter Coeruloplasminspiegel, erhöhte Kupferausscheidung im 24-h-Urin)
- primär nicht-hepatische Erkrankungen: Schilddrüsenerkrankungen, Herzinsuffizienz, Myopathie, Sprue, Hämolyse, Speicherkrankheiten, Porphyrie, schwere körperliche Anstrengung
Gamma-GT und AP betont, cholestatisches Schädigungsmuster
Bei ausschließlich erhöhter AP sollte deren Herkunft (Knochen-AP?) geklärt werden. Liegen überwiegend erhöhte Cholestasemarker vor, sollte mittels Sonographie geklärt werden, ob eine Erweiterung der Gallengänge nachzuweisen ist (DD intrahepatische/extrahepatische Cholestase).
Ohne Erweiterung der Gallenwege
- primär biliäre Cholangitis (PBC, früher primär biliäre Zirrhose) AMA, AMA-M2
- primär sklerosierende Cholangitis (p-ANCA in ca. 70% positiv)
- sekundär sklerosierende Cholangitis (IgG4-assoziierte Cholangitis)
Mit Erweiterung der Gallenwege
- ursächlich sind meistens Abflusshindernisse der großen Gallenwege (Lithiasis, Tumor) und granulomatös-entzündliche Leberinfiltrate
- Sarkoidose
- Tuberkulose
- andere granulomatöse Hepatitiden
- Amyloidose
- Pilzinfektion
Überwiegend GGT-betontes Schädigungsmuster
Hierbei handelt es sich vor allem um toxische oder infiltrative Erkrankungen der Leber. Neben anamnestischen Hinweisen ist sonographisch zu klären, ob eine Verfettung oder eine umschriebene Raumforderung vorliegt:
- alkoholische Fettleber, alkoholische Fettleberhepatitis (ASH); bei einer akuten alkoholischen Fettleberhepatitis lassen sich zusätzlich deutlich erhöhte Bilirubinwerte im Serum nachweisen
- Medikamente
- NAFLD, NASH (können auch durch Gamma-GT-betonte Leberwerte auffallen)
- umschriebene Raumforderungen (z.B. Echinococcus cysticus, Abszess, Metastasen, Zyste)
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Analysen
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