Tab. 1 adaptiert aus McNally M et al. (1)

McNally M et al. The EBJIS definition of periprosthetic joint infection. Bone Joint J. 2021 Jan:103-B(1):18-25. doi: 10.1302/0301-620X.103B1.

Higgings E et al. Enhancing Diagnostics in Orthopedic Infections. J Clin Microbiol 2022 Mar 10:e0219621. doi: 10.1128/jcm.02196-21.

Schulz P et al. Preoperative synovial fluid culture poorly predicts the pathogen causing periprosthetic joint infection. Infection 2021 Jun:49(3):427-436. doi: 10.1007/ s15010-020-01540-2.

Oliva A et al. Challenges in the Microbiological Diagnosis of Implant-Associated Infections: A Summary of the Current Knowledge. Front Microbiol. 2021 Oct 29;12:750460. doi: 10.3389/fmicb.2021.750460

Diagnostisches Vorgehen bei periprothetischen Infektionen

Eine periprothetische Gelenkinfektion (PJI: periprosthetic joint infection) tritt bei mindestens 1–5% der Patient*innen mit Gelenkendoprothesen auf. Nach aseptischer Lockerung ist die PJI der zweithäufigste Grund für eine operative Revision, die wiederum mit einem erhöhten Infektionsrisiko einhergeht.

Der Beweis einer periprothetischen Infektion (PJI) ist unverändert Gegenstand von Diskussionen und stellt mitunter eine Herausforderung dar. Insbesondere bei verzögert auftretenden Infektionen (Lowgrade) werden von Patient*innen meist nur unspezifische Symptome beklagt, was die klinische Diagnose verzögern kann. In den letzten Jahren wurden Leitlinien mit verschiedenen Definitionen der PJI von unterschiedlichen Fachgesellschaften erarbeitet und verwendet.

Kürzlich wurde von der European Bone and Joint Infection Society (EBJIS) eine Leitlinie herausgegeben (1). Diese wurde von vielen maßgeblichen europäischen und internationalen Fachgesellschaften miterarbeitet und vor allem anerkannt. Anlass genug, wesentliche und neue Aspekte der PJI-Diagnostik zusammenzufassen. Die Empfehlungen ermöglichen eine praxisnahe Einschätzung des Risikos einer PJI (Tabelle 1). Neben Anamnese und klinischen Symptomen kommt insbesondere der laborgestützten Diagnostik eine entscheidende Rolle zu in der Diagnosesicherung und damit für die erforderlichen Therapiemaßnahmen.

In der neuen Definition der PJI wird der Anzucht von Mikroorganismen aus der Sonikatflüssigkeit des explantierten Fremdmaterials deutlich stärkere Beweiskraft als bisher zugeordnet. Ursächlich für die PJI sind häufig mikrobielle Kontaminationen der Prothese. Innerhalb kurzer Zeit bildet sich ein Zellverband sesshafter (sessiler) Bakterien mit geringer Stoffwechsel- und Teilungsaktivität. Diese als Biofilm bezeichnete Bakteriengesellschaft wächst an der Schnittstelle zwischen Knochen und Oberfläche der Prothese.

Aufgrund ihrer eingeschränkten Aktivität zeigen sich Bakterien des Biofilms im hohen Maße unempfindlich gegenüber einer Vielzahl verfügbarer antimikrobieller Substanzen (2). PJI entsteht per continuitatem bei Infektionen der benachbarten Haut- und Weichteile, durch intraoperative Kontaminationen sowie durch hämatogene Streuung im Rahmen von Blutstrominfektionen. Der überwiegende Teil der PJI tritt innerhalb von 24–36 Monaten nach Implantation am betroffenen Gelenk auf und wird als Low-grade (auch späte) Infektion bezeichnet. Die klinischen Symptome sind vielfältig und wenig spezifisch. Erste Hinweise können diffuse Schmerzen im Bereich des betroffenen Gelenks oder andere Anzeichen für eine Lockerung der Prothese sein.

Eine Fistel zur Hautoberfläche im Bereich des endoprothetisch versorgten Gelenks gilt als Beweis für eine PJI. Im Gegensatz zur späten PJI treten bei der akuten, meist frühen PJI häufig typische Symptome einer bakteriellen Arthritis wie Rötung, Schwellung, Überwärmung im Bereich des Gelenks plötzlich auf – nicht selten verbunden mit laborchemischen Entzündungszeichen im Blut. Eine essentielle diagnostische Maßnahme ist die Bestimmung der Zellarten, der Konzentrationen der Leukozyten sowie des Alpha-Defensins in der durch Punktion entnommenen Synovialflüssigkeit (SF). Bereits ab > 1500 Leukozyten/ml SF mit einem Anteil > 65 % neutrophilen Granulozyten (Hüft- und Kniegelenkendoprothesen) besteht labordiagnostisch der Verdacht auf eine PJI. Die Aussagekraft ist vermindert bei blutigem Punktat, kürzlichen (< 3 Monate) Gelenkeingriffen und bei rheumatoider Arthritis, da diese zu erhöhten intraartikulären Leukozytenkonzentrationen führen können.

EBJIS Kriterien für die Diagnose bei Verdacht auf periprothetische Gelenkinfektion (1)

           Infektion unwahrscheinlich (alle Variablen negativ) Infektion wahrscheinlich (min. zwei Variablen positiv) Infektion bestätigt (min. eine Variable positiv)
Klinische Symptome
  eindeutig andere Ursachen für den Funktionsverlust des Implantats

• radiologische Zeichen einer Lockerung innerhalb von fünf Jahren nach Implantation

• vorherige Störung oder Verzögerung der Wundheilung

• bekanntes Fieber oder Bakteriämie

• Eiter um um die Prothese

Fistel zum Gelenk, Sichtbarkeit der Prothese
Analyse der Synovialflüssigkeit
Leukozyten Zahl im Punktat (Zellen/µl) ≤ 1500 > 1500 > 3000
Polymorphkernige neutrophile Granulozyten (%) ≤ 65 > 65 > 80
Alpha-Defensin     positiver Nachweis im Immunoassay oder im Lateral Flow Immunoassay
Mikrobiologische Analyse
Punktat Synovialflüssigkeit   positives Kulturergebnis  
Intraoperatives Punktat oder Gewebe alle Proben negativ eine einzelne positive Probe ≥ zwei positive Proben mit dem gleichen Erreger
Sonikation kein Wachstum Wachstum ≤ 50 koloniebildende Einheiten/ml eines Erregers Wachstum > 50 koloniebildende Einheiten/ml eines Erregers
Histologie
High-power Field (HPF; 400x Vergrößerung) negativ ≥ 5 neutrophile Granulozyten in einem HPF 5 neutrophile Granulozyten in ≥ 5 HPF oder sichtbare Erreger

Die Bestimmung weiterer Biomarker (IL-6, Calprotectin, Lactoferrin) aus dem Punktat wird zum aktuellen Zeitpunkt in Studien untersucht. Ein klarer Vorteil gegenüber dem etablierten Vorgehen ist noch nicht bekannt. Die Bestimmung etablierter Parameter wie C-reaktives Protein oder Procalcitonin aus der Synovialflüssigkeit bietet gegenüber der konventionellen Bestimmung aus dem Blut keinen Mehrwert. Generell sind Biomarker aus dem Blut wie das C-reaktive Protein, die Blutsenkungsgeschwindigkeit, Procalcitonin oder ein Differenzialblutbild zum Ausschluss einer PJI nur unzureichend geeignet.

Neben der generellen Diagnose einer PJI ist die Kenntnis des ursächlichen Erregers entscheidend für die Wahl der antimikrobiellen Therapie. Die mikrobiologische Diagnostik ist durch Kulturverfahren sowie molekularbiologische Nachweismethoden in der Lage, in einer Vielzahl der Fälle diese nachzuweisen. Wir empfehlen zur präoperativen Erregeridentifizierung aseptisch entnommenes Gelenkpunktat in Blutkulturflaschen oder nativ in ein steriles Probebehältnis zu überführen. Bei geringen Volumina (≤ 4 ml) sollten pädiatrische Blutkulturflaschen verwendet werden. Bei der Interpretation ist zu beachten, dass der isolierte Nachweis von Wachstum aus dem Punktat häufig eine Kontamination darstellt und einen geringen Vorhersagewert hat (3). Abstriche aus Fisteln oder dem Operationsgebiet ergeben häufig unspezifischpositive bzw. falsch-negative Kulturergebnisse. Daher sollten stattdessen Biopsien/ Gewebe als Probenmaterial zur mikrobiologischen Untersuchung versendet werden.

Intraoperativ sollten mehrere Biopsien (n = 3–6) mit individuellen sterilen Instrumenten aseptisch entnommen und jeweils direkt in ein eigenes steriles Probebehältnis überführt werden, um eine Kreuzkontamination zu vermeiden (4). Damit auch langsamer wachsende ursächliche Bakterien wie Cutibacterium acnes nachgewiesen werden können, werden die Proben bis zu 14 Tage bebrütet. Bei Ausbau/Wechsel von Prothesen oder einzelner Bestandteile empfiehlt es sich, diese zur Sonikation (Ultraschallbehandlung) mit darauf abgestimmten Nährmedien und Bebrütungszeiten einzusenden. Durch dieses Verfahren gelingt es Stoffwechsel-inaktive, sessile Bakterien des Biofilms in ihre aktive, sich vermehrende (planktonische) Lebensform zu transformieren.

Dadurch weist die Ultraschallbehandlung eine deutlich verbesserte diagnostische Sensitivität und Spezifität auf, insbesondere bei bereits begonnener antimikrobieller Therapie. Der Nachweis von > 50 KBE/ml kann gemäß aktuell konsentierten Empfehlungen der EBJIS als Beweis einer PJI dienen. Ein Nachweis von ≤ 50 KBE/ml ausschließlich aus der Sonikation sollte kritisch hinterfragt werden. Insbesondere isolierte Nachweise von Koagulase-negativen Staphylokokken, Mikrokokken und C. acnes stehen regelhaft für eine Kontamination. Beim Nachweis von S. aureus, Gram-negativen stäbchenförmigen Bakterien der Ordnung Enterobacterales sowie Hefen der Gattung Candida liegt zumeist eine Infektion vor.

Entnahmematerial bei der PJIDiagnostik v.l.n.r.: Probenbehälter für die Sonikation, pädiatrische Blutkulturflasche, EDTA-Röhrchen, Probenbehälter für Gewebe

Wir führen die Sonikation als Untersuchungsmethode in den Laboren des LADR Laborverbundes Dr. Kramer & Kollegen für Sie durch.

Trotz eines optimierten diagnostischen Vorgehens gelingt in bis zu 30% der PJI keine Anzucht. Bei sterilen Kulturergebnissen kann das Material zusätzlich molekularbiologisch untersucht werden. Dieses Vorgehen ermöglicht es, ggf. langsam wachsende bzw. schwer anzüchtbare Keime zu identifizieren. Aufgrund der Komplexität des Geschehens ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Interpretation der Resultate und der Abstimmung der Therapiekonzepte empfehlenswert und führt nach neueren Erkenntnissen zu einem höheren Therapieerfolg.

Versand von Gelenkpunktaten

• Leukozytenzahl/Zelldifferenzierung: EDTA-Röhrchen

• mikrobiologische Untersuchung (Kultur): als beimpfte pädiatrische Blutkulturflasche oder steriles Probenbehältnis

Versand von Biopsien

• mikrobiologische Untersuchung: steriler Probenbehälter (1x Behälter/Probe)

Versand von Materialien zur Sonikation

• steriler Probenbehälter 2,5 l (1x Behälter/ Probe)

• mikrobiologische Untersuchung: steriler Probenbehälter (1x Behälter/Probe)

Bezeichnung Best.-Nr.
Laborauftragsschein Sonikation 115876
Doppelt steril verpackte Probenbehälter für Gewebeproben/Biopsien zur mikrobiologischen Untersuchung 452614
Doppelt steril verpackte Probenbehälter für die Sonikation zur mikrobiologischen Untersuchung 108932
BacT/ALERT® PF Plus (Kulturmedien) 207330

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