ESHRE Guideline: Management of women with premature ovarian insufficiency; 2015.

Human Reproduction. 2016 Vol. 31, No. 5 pp. 926–937.

Prämature Ovarialinsuffizienz: ESHRE Guideline 

Die prämature Ovarialinsuffizienz (POI) ist ein klinisches Syndrom und beinhaltet den weitgehenden Verlust der Ovaraktivität vor dem 40. Lebensjahr, irreguläre Zyklen (Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe) sowie labormedizinisch erhöhte Gonadotropine bei einem erniedrigten Östrogenspiegel.

Aufgrund der erheblichen gesundheitlichen Konsequenzen einer POI, auch über den Bereich der Fruchtbarkeitsproblematik hinaus, sollten mögliche beeinflussbare Variablen reduziert werden. Hierzu zählen gynäkologisch-chirurgische Eingriffe an den Ovarien, Lifestyle-Faktoren wie Rauchen und auch bedingt Therapien bösartiger und chronischer Erkrankungen.

Symptomatik und Diagnostik

Im Durchschnitt erreichen 20–25% der Frauen die Menopause im Alter von 50 Jahren (Abb. 1). Frauen mit POI weisen häufig zusätzlich zu einer Oligo- oder Amenorrhoe typische Östrogenmangelsymptome auf. Deutet die Konstellation auf eine POI hin, sollte kurzfristig eine Kontrolle von Estradiol (17-β-Östradiol), Gonadotropinen (β-hCG, LH und FSH) und vom Anti-MüllerHormon (AMH) auch zur Bestätigung erfolgen. Es gibt jedoch auch symptomlose Verläufe oder zwischenzeitliches Verschwinden der Symptomatik.

Nach Absetzen oraler Kontrazeptiva kommt es bei der POI häufig durch den Östrogenentzug zu besonders schweren Symptomen. In der Praxis sollte daher bei Frauen unter 40 Jahren bei einer Oligomenorrhoe immer nach Östrogenmangelsymptomen gefragt werden, um ggf. eine POI auszuschließen.

Die Diagnosestellung erfolgt bei einer Oligo-/ Amenorrhoe für mindestens vier Monate und bei einem zweimalig nachgewiesenen FSH >25 IU/l im Abstand von mindestens 4 Wochen.

Abb. 1: Alter bei Eintritt in die Menopause (1)

Ursachen

Der POI können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. In ca. 50% der Fälle ist die Ursache aber unklar (Abb. 2).

a) genetisch
Bei Diagnosestellung POI sollte vor allem jüngeren Frauen, bei denen anamnestisch eine iatrogene Ursache ausgeschlossen werden kann, nach ausführlicher Aufklärung eine Chromosomenanalyse angeboten werden (u.a. zum Ausschluss eines Turner-Syndroms). Falls ein Y-Chromosom nachgewiesen werden kann, sollte aufgrund des erhöhten Entartungspotenzials eine prophylaktische Gonadektomie empfohlen werden. Durch die erhöhte Prävalenz einer POI bei Vorliegen einer Fragilen-X-Prämutation (FMR1- Gen) sollte auch diese Testung angeboten werden. Aufgrund der zahlreichen möglichen Konsequenzen bei einem positiven Befund, z.B. Risiko einer Fragiles-X-assoziierten Ataxie (FXTAS), muss vor der Genetik eine gründliche Aufklärung der Patientin erfolgen. Eine generelle autosomale genetische Testung ist nicht indiziert.

Chromosomale Aberrationen, vor allem bei jüngeren Frauen

b) autoimmun
Bei Frauen mit bisher ungeklärter POI oder dem Verdacht auf eine autoimmune Erkrankung, z.B. eine polyglanduläre Endokrinopathie, sollte ein Screening auf 21-OH-Antikörper oder alternativ ACA (adrenocortikale Antikörper) erfolgen. Bei positivem Ergebnis sollte zum Ausschluss eines M. Addison eine weiterführende Abklärung beim Endokrinologen veranlasst werden. Bei negativem Ergebnis ist ohne Entstehung von Symptomen im Verlauf keine weitere Kontrolle erforderlich. Hin und wieder sollten auch andere endokrine Drüsen wie die Schilddrüse, die Nebennierenrinde (NNR) oder das endokrine Pankreas kontrolliert werden. Bei erhöhten TPO(Thyreoperoxidase)-Antikörpern und POI sollten jährliche TSH-Kontrollen zur Überprüfung der Schilddrüsenfunktion erfolgen.

c) iatrogen
Vor operativen Eingriffen am Ovar oder potenziell schädigenden medikamentösen Therapien (z.B. Chemotherapie oder Bestrahlung) sollte eine Aufklärung über eine POI als mögliche Folge angesprochen werden.

d) Umwelteinflüsse
Obwohl bisher noch keine Kausalität zwischen Rauchen und POI nachgewiesen wurde, besteht durchaus eine Relation zwischen Nikotinabusus und früher Menopause. Daher sollte Patientinnen mit einer gewissen Prädisposition zur Nikotinkarenz geraten werden.

e) idiopathisch
In zahlreichen Fällen wird keine Ursache einer POI gefunden.

Abb. 2: Ursachen einer prämaturen Ovarialinsuffizienz (1)

Folgeerscheinungen

a) Lebenserwartung
Bleibt eine POI unbehandelt, ist sie, im Wesentlichen durch kardiovaskuläre Folgeerkrankungen, mit einer verkürzten Lebenserwartung assoziiert. Aus diesem Grund ist es wichtig, Frauen mit POI darin zu bestärken, nicht zu rauchen sowie auf ausreichende Bewegung zu achten und einen normwertigen BMI zu halten.

b) Fruchtbarkeit und Schwangerschaft Durch intermittierend auftretende Ovulationen dürfte eine stark eingeschränkte Konzeptionswahrscheinlichkeit bestehen, die bei ca. 3-5% anzusetzen ist.
Leider gibt es bisher keine erfolgversprechenden Interventionen, um bei Kinderwunsch die Ovaraktivität und die natürliche Konzeptionsrate zu steigern. Die Betroffenen sollten jedoch darüber aufgeklärt werden, dass dennoch eine geringe Chance besteht, spontan schwanger zu werden, so dass eine entsprechende Verhütung bei nicht vorhandenem Kinderwunsch erforderlich ist. Bei eingetretener Schwangerschaft bestehen keine erhöhten Risiken bezüglich der Schwangerschaft an sich und der neonatalen Auswirkung im Vergleich zur Gesamtbevölkerung.

c) Knochengesundheit
Die POI ist mit einer geringeren Knochendichte assoziiert. Das Frakturrisiko im höheren Lebensalter wird daher als erhöht eingestuft, konkrete Daten zum Beleg der Hypothese konnten bisher jedoch noch nicht erhoben werden. Bei unzureichender Aufnahme über die Nahrung muss eine Vitamin D und/oder Calciumsubstitution in Erwägung gezogen werden. Zusätzlich sollte eine Hormonersatztherapie mit Östrogenen unter anderem als Osteoporoseschutz verordnet werden, wobei orale Kontrazeptiva in Bezug auf die Knochendichte nicht Präparate der Wahl sind. Eine Therapie mit Bisphosphonaten sollte nur in besonderen Konstellationen und auch dann nur vom Spezialisten verordnet werden.

Die Messung der Knochendichte D(E)XAScan: Dual-Röntgen-Absorptiometrie) sollte in jedem Fall einmalig bei Diagnosestellung der POI erfolgen. Im Falle einer diagnostizierten Osteoporose unter Östrogentherapie oder anderen Therapien sollte die Knochendichtemessung innerhalb von 5 Jahren wiederholt werden. Siehe auch LADR informiert Nr. 220 „Sinnvolle Labordiagnostik der Osteoporose“.

d) Kardiovaskuläre Gesundheit
Patientinnen mit POI haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Auch diesbezüglich sollte der Hinweis auf präventive Modifikation mit einem gesunden Lebensstil erfolgen. Obwohl bisher entsprechende Longitudinalstudien fehlen, wird Frauen mit POI eine Hormonersatztherapie mit Östrogenen vom frühen Beginn bis zum Durchschnittsalter der erwarteten Menopause zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos dringend empfohlen. Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Blutdruck, Gewicht und Nikotinabusus sollten jährlich dokumentiert werden.

e) Sexuelle und urogenitale Funktion
Frauen mit POI sollten regelmäßig bezüglich ihrer Sexualfunktion und ihres sexuellen Wohlbefindens befragt werden. Für eine normale Sexualfunktion ist eine adäquate Östrogensubstitution die Therapiebasis. Bei Dyspareunie bzw. Urogenitalsymptomen ist oftmals eine alleinige oder kombinierte Therapie zur Hormonersatztherapie mit lokalen Östrogenen hilfreich. Eine Substitutionstherapie mit Androgenen ist möglich und sollte angesprochen werden. Langzeitstudien über die Wirkung und Effekte stehen aufgrund der geringen Datenlage zurzeit noch aus. Im Falle einer Therapie sollte eine Kontrolle nach 3–6 Monaten erfolgen, und die Therapiedauer sollte möglichst auf 24 Monate beschränkt werden.

Hormonersatztherapie

Eine adäquate Hormonersatztherapie ist für Frauen mit POI zum einen zur Behandlung von Östrogenmangelsymptomen und zum anderen zur Primärprävention von möglichen kardiovaskulären Folgeerkrankungen bzw. zum Erhalt der Knochengesundheit erforderlich. Ein erhöhtes Risiko für Mammakarzinome bei einer HRT vor dem Alter der natürlich einsetzenden Wechseljahre konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Zur Endometriumprotektion sollte bei erhaltenem Uterus in jedem Fall eine Kombinationstherapie mit Gestagenen erfolgen. Präferiertes Östrogen gegenüber Ethinylestradiol und equinen Östrogenen ist für die HRT das 17-ß-Östradiol. Die höchste Evidenz bezüglich der Endometriumprotektion besteht für eine orale zyklische Kombinationstherapie, obwohl es auch Vorteile bei der Verwendung des mikronisierten natürlichen Progesterons zu geben scheint. Die Vorlieben der Patientinnen bezüglich Applikationsweg und Anwendung der HRTKomponenten sowie eine etwaige Notwendigkeit zur Kontrazeption sollten berücksichtigt werden. Die Dosierung erfolgt nach der Klinik der Frauen. Es sollten, auch aus Gründen der Compliance, jährliche Kontrollen erfolgen.

Abrechnung

Parameter Probenmaterial EBM GOÄ
Ziffer Ziffer € (1,15fach)
17-β-Östradiol 1 ml Serum 32356 4,60 € 4039 15,64 €
β-hCG (humanes Choriongonadotropin) 1 ml Serum 32352 6,10 € 4024 16,76 €
LH (luteinisierendes Hormon) 1 ml Serum 32354 4,90 € 4026 16,76 €
FSH (Follikel stimulierendes Hormon) 1 ml Serum 32353 4,50 € 4021 16,76 €
AMH (Anti-Müller-Hormon) 1 ml Serum 32361 8,10 € 4069 33,52 €
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