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Critical Review Report: MDMB-4en-PINACA
Ozturk YE et al. In Vitro Phase I Metabolism of the Recently Emerged Synthetic MDMB-4en-PINACA and Its Detection in Human Urine Samples Journal of Analytical Toxicology, 2020;44:976–984
Krotulski AJ et al. The next generation of synthetic cannabinoids: Detection, activity, and potential toxicity of pent‐4en and but‐3en analogues including MDMB‐4en‐PINACA, Drug Test Anal 2020 Sep 30
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung – Jahresbericht 2020
Chemisch gestrecktes Cannabis - Warnung!
Nach unserer letzten Warnmeldungen ist die Anzahlen positiver Fälle synthetischer Cannabinoide im Herbst etwas zurückgegangen. Insbesondere die Fälle mit dem Wirkstoff MDMB-4en-PINACA sind von 86 im August auf 13 im November gesunken. Damit dominiert das seit Februar auftretende ADB-BUTINACA im November mit 82 % der Nachweise. Weiterhin ist auffällig, dass in vielen positiven Proben auch Phytocannabinoide aus der Hanfpflanze nachweisbar sind. Darüber hinaus treten Beschlagnahmungen auf, bei denen das synthetische Cannabinoid als Beimengung in Cannabisprodukten mit geringem Gehalt an Phytocannabinoiden nachgewiesen wurde.
Über das neu auftretende Cannabinoid ADB-BUTINACA gibt es aktuell noch nicht viele Informationen. Statt dem 1-Benzyl-Substituent am Indazolring beim ADB-BINACA liegt bei ADB-BUTINACA eine Butylsubstitution vor. Erste Daten zeigen eine 3-fach höhere Bindung am Cannabinoidrezeptor als bei der Substanz JWH-018. Eine andere Arbeitsgruppe berichtet von einer vergleichbaren in vitro Potenz wie das MDMB-4en-PINACA. Erstmals wurde ADB-BUTINACA 2019 in Schweden nachgewiesen. Im Januar 2021 wurde die Substanz in präparierten Papieren in Schottland gefunden.
Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig warnt vor dieser gefährlichen Entwicklung auf dem Drogenmarkt. Allein im ersten Quartal 2021 wurden über 150 Kilogramm gestrecktes Cannabis bei der Einfuhr aus der Schweiz und den Niederlanden sichergestellt.
Cannabiskonsum ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Über 30 % der Erwachsenen haben schon einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert. Bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren konsumieren fast 8,1 % Cannabis. Das liegt über dem Nikotinkonsum mit 7,2 % im Jahr 2019.
Mit dem Auftreten von Cannabis, welches Beimengungen von synthetischen Cannabinoiden aufweist, droht ein Paradigmenwechsel auf dem Drogenmarkt. Die EMCDDA (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction) hat im November 2020 eine Warnmeldung herausgegeben, die darauf hinwies, dass es erste Beschlagnahmungen von Haschisch und Marihuana, aber auch E-Liquids oder präparierten Papieren gibt, in denen nur geringe Konzentrationen der Phytocannabinoide ∆9-THC und Cannabidiol nachgewiesen wurden. Dafür waren Wirkstoffe wie MDMB-4en-PINACA, 5F-MDMB-PICA oder 4-fluoro MDMB-BUTINACA nachweisbar. Hierbei handelt es sich um synthetisch hergestellte Cannabinoide, die günstig im Internet angeboten werden. So kann aus minderwertigen Cannabisprodukten ein lukratives Produkt werden. Im März 2021 hat die EMCDDA ihre Warnung erneuert und von 12 Todesfällen in Zusammenhang mit diesen neuen synthetischen Cannabinoiden berichtet.
https://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/13680/emcdda-RAR-MDMB-4en-PINACA_NEW.pdf
Der Konsument wird die veränderte Zusammensetzung zunächst nicht wahrnehmen, da der beigemischte Wirkstoff die Cannabiswirkung imitiert. So ist zu vermuten, dass die Cannabiskonsumenten sich der Beimengung nicht bewusst sind. Dieses Unwissen kann lebensgefährliche Folgen haben.
Synthetische Cannabinoide wirken als Vollagonisten
Die Ursache für das Auftreten von Vergiftungen liegt in den pharmakologischen Eigenschaften der Substanz. Der eigentliche Cannabiswirkstoff ∆9-THC wirkt am Rezeptor lediglich als partieller Agonist und führt so nur zu einer begrenzten Wirkung. Cannabidiol wirkt lediglich modulierend an den Cannabinoidrezeptoren. Synthetische Cannabinoide wirken im Gegensatz dazu als Vollagonisten und aktivieren die Signalwege in der Zelle in vollem Umfang. So können unerwünschte Nebenwirkungen wie Psychosen, z. T. mit schweren Krampfanfällen, rascher Ohnmacht, Herzrasen, Bluthochdruck oder aggressivem, gewalttätigem Verhalten auftreten. Es tritt auch ein starkes Craving (Verlangen nachzulegen) auf. Die ungleichmäßige Verteilung des Wirkstoffs in der Droge erschwert die Dosierung und erhöht zusätzlich die Gefahr von Überdosierungen. Es gibt erste Hinweise, dass auch sehr junge und unerfahrene Konsumenten diese Substanzen angeboten bekommen. Da die Substanzen noch kaum erforscht sind, gibt es auch noch keine Informationen zur Pharmakokinetik wie Eliminationshalbwertszeit.
Im Jahr 2020 wurde eine steigende Anzahl an positiven Ergebnissen registriert. Im Oktober gab es nahezu eine Verdreifachung der positiven Proben. Dieser Trend hat sich auch im ersten Quartal 2021 fortgesetzt und zu einer Diskussion über die Aufnahme von MDMB-4en-PINACA in die Anlage II des BtMG geführt. Parallel dazu erscheint im März eine neue Substanz vermehrt in den Proben: ADB-BUTINACA. Zu dieser Substanz gibt es aktuell kaum Informationen zur Wirkung und Gefährlichkeit.
MDMB-4en-PINACA ist ein synthetisches Cannabinoid, das seit 2017 in Europa im Umlauf ist und dessen Prävalenz seit Mitte 2019 deutlich zunimmt.
Darüber hinaus traten folgenden Substanzen mit geringer Häufigkeit (< 10 pro Monat) auf:
- 5F-MDMB-PICA 5F-ADB CUMYL-NBMINACA
- AB-PINACA ADB-BINACA ADB-PINACA
- 5F-EDMB-PICA Cumyl-PeGaClone FUB-144
- MDMB-FUBICA MDMB-CHMICA
Abb. 1: Positive Proben auf MDMB-4en-PINACA, ADB-BUTINACA und 4F-MDMB-BICA aus Urin und Kapillarblut 01/2021 bis 12/2021.
Von sämtlichen positiven synthetischen Cannabinoid Resultierungen aus dem Jahr 2021 lag in 46% aller Fälle ein MDMB-4en-PINACA vor. Zu 40,33% handelte es sich um ein ADB-BUTINACA und bei lediglich 5,75% um ein 4F-MDMB-BICA. Die Übrigen 7,92% verteilen sich über weitere in geringen Mengen gefundene Substanzen
Abb.2: Bestimmung von Cannabis bei Proben positiver synthetischer Cannabinoide.
Zusätzlich haben wir eine Auswertung der Analytik auf die klassischen Cannabiswirkstoffe aus Urin und Kapillarblut vorgenommen. In 38 % der Fälle wurde neben einem synthetischen Cannbinoid auch der Cannabismetabolit ∆9-THC-COOH nachgewiesen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass herkömmliches Marihuana mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt wurde. Hierzu gibt es auch weitere Warnungen aus dem Internet, z. B. Drug Checking oder Userforen.
Abb. 3: Verteilung positiver synthetischer Cannabinoide über diverse Altersgruppen.
Im Jahr 2021 erhielten 0,8% der Patienten unter 20 Jahren, 52,42% der Patienten zwischen 20 und 39, 43,88% der Patienten zwischen 40 und 60 und 2,9% der Patienten deren Alter über 60 Jahren lag, einen positiven Befund.
Abb.4: Verteilung der Geschlechter bei positiven synthetische Cannabinoiden.
Da der Nachweis der synthetischen Cannabinoide sehr aufwendig ist, kann leider keine POCT-Diagnostik angeboten werden. Auch eine Prüfung der Drogen auf mögliche Beimengungen ist nur in wenigen diagnostischen Laboren möglich. Wir setzen zum Nachweis chromatographische Methoden mit massenspektrometrischer Detektion ein. Um mögliche neue Wirkstoffe erkennen zu können, setzen wir bei der Diagnostik im Urin ein hochauflösendes Massenspektrometer ein. Im Blut oder Kapillarblut kann jedoch auf Grund der geringeren Konzentrationen nur mittels gerichteter Tandem-Massenspektrometrie gemessen werden.
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