Blutbild

Zum „kleinen Blutbild“ gehören die Parameter Leukozyten, Erythrozyten einschließlich der Indices (MCV, MCH, MCHC), Hämoglobin, Hämatokrit und Thrombozyten. Beim Differenzialblutbild, auch „großes Blutbild“ genannt, kommt ergänzend die Differenzierung der Leukozyten (maschinell und/oder mikroskopisch) hinzu. Die Bestimmung der Parameter des kleinen und großen Blutbildes erfolgt meist mit modernen Hämatologie-Automaten. Hierbei werden die Leukozyten oft mittels Durchflusszytometrie gezählt, wobei die Zellen, nachdem sie durch ein spezielles Hüllstrom-Verfahren einzeln und zentral durch die Messkapillare geleitet wurden, mit einem Laserstrahl erfasst und anhand ihrer Zelleigenschaften (u.a. Größe, Kernform, Zusammensetzung der intrazellulären Strukturen und Granula, Anfärbung von Nukleinsäuren mit speziellen Fluoreszenzfarbstoffen) klassifiziert. In diesem Schritt erfolgt oft auch die Abgrenzung zu kernhaltigen Erythrozytenvorstufen (=NRBC, Normoblasten). Zur Zählung der Erythrozyten und Thrombozyten wird häufig eine Impedanzmessung und zur Bestimmung des Hämoglobins eine photometrische Analyse angewandt, Hämatokrit und Erythrozytenindices werden rechnerisch ermittelt. Durch unterschiedlichste und empfindliche Voreinstellungen der Geräte werden bei Verletzungen von Diskriminatoren- oder Referenzbereichsgrenzen oder beim Auftreten pathologischer Zellen zur Verifizierung und Beurteilung Wiederholungsmessungen und/oder mikroskopische Betrachtungen angeschlossen.

Eine Befundinterpretation ist dabei anhängig von der Ergebniskonstellation und Klinik.

Material

2 mL EDTA-Blut

Hämoglobin (Hb)

Indikation

Basisdiagnostik zur Beurteilung der Sauerstoffversorgung; Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von Anämien; Beurteilung von Blutverlusten; Therapieüberwachung in der Substitution mit Erythrozytenkonzentraten; Verlaufsbeurteilung der Polyglobulie oder Polycythaemia vera; Abschätzung von Störungen der Hydratation

Referenzbereich

siehe Befundbericht

Erhöhte Werte

Polyglobulie, Polycythaemia vera, Exsikkose

Bei der Beurteilung müssen der Wasserhaushalt und die Möglichkeit einer reaktiv gesteigerten Erythropoese berücksichtigt werden.

• Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts (Exsikkose, Polyurie)

• reaktive Steigerungen der Erythropoese (Höhenaufenthalt, chronisch respiratorische Erkrankungen, Doping)

• autonome Steigerung der Erythropoese (Polycythaemia vera)

verminderte Messwerte

Blutbildungsstörungen, Blutverlust

Ein niedriger Hämoglobinwert sichert die Diagnose einer Anämie.

Entscheidend für das weitere Vorgehen ist eine Klassifizierung der Anämie nach:

• quantitativen Störungen der Erythropoese oder der Erythrozytenlebensdauer (Anämie mit erhöhten oder nicht adäquat erhöhten Retikulozytenkonzentrationen bzw. Anämien mit oder ohne intra- oder extravaskulärer Hämolyse)

• qualitativen Störungen der Erythropoese (mikrozytäre, normozytäre und makrozytäre Formen)

Hämatokrit

Veränderungen des Hämatokrits verlaufen meist parallel zu Veränderungen der Hämoglobinkonzentration. Neben Veränderungen durch Anämie oder Polyglobulie ist der Einfluss des Elektrolyt- und Wasserhaushalts mit gleichgerichteten Veränderungen der Serumeiweißkonzentration zu berücksichtigen.

MCV

Das mittlere korpuskuläre Volumen der Erythrozyten (MCV) gibt Hinweise zur Ätiologie einer Anämie. Verringerte Werte (Mikrozytose) sind insbesondere bei der Eisenmangelanämie, bei der Thalassämie, bei der Anämie chronischer Erkrankungen und bei Eisenverwertungsstörungen zu finden. Erhöhte Werte (Makrozytose) finden sich beim Vitamin B12- oder Folsäuremangel, bei klonalen Störungen der Hämatopoese wie myelodysplastischen Syndromen und bei Lebererkrankungen. Ausgeprägte Retikulozytosen wie bei hämolytischen Anämien führen zu einem erhöhten MCV.

MCH und MCHC

MCH beschreibt den mittleren korpuskulären Hämoglobingehalt, MCHC die mittlere korpuskuläre Hämoglobin-Konzentration der Erythrozyten. MCH verläuft meist gleichsinnig zum MCV mit den dort genannten entsprechenden Ursachen einer Anämie. Mikrozytäre Anämien sind dementsprechend meist mit einem niedrigen MCH, makrozytäre Anämien häufig mit einem erhöhten MCH assoziiert. MCHC bleibt intraindividuell oft recht stabil und kann somit als Plausibilitätskontrolle dienen. Eine niedrige MCHC findet sich z.B. bei fortgeschrittener Eisenmangelanämie, eine erhöhte MCHC z.B. bei hereditärer Sphärozytose oder als Hinweis auf Kälteagglutinine.

Erythrozyten

Neben der quantitativen Angabe der Erythrozyten (siehe auch Hämoglobin, Hämatokrit) und der Erythrozytenindices (siehe auch MCH, MCV, MCHC) kann die Morphologie der Erythrozyten wichtige Informationen für verschiedene Krankheitsbilder liefern. Hier sei z.B. die Anisozytose als Maß für die Variabilität der Größe sowie die Poikilozytose als Maß für die Variabilität der Form genannt. Die Anisozytose kann als RDW/Erythrozytenverteilungsbreite mittels Gerät oder als semiquantitative Angabe mittels Mikroskopie angegeben werden. Am Blutausstrich können auch die einzelnen Erythrozyten morphologisch beurteilt werden wie z.B. Fragmentozyten, Sichelzellen, Targetzellen, Akantozyten, Kugelzellen, Teardrops, Howell-Jolly-Körperchen, Parasiten u.v.a.. Die mikroskopische Beurteilung an einem frischen EDTA-Blutausstrich ist demnach eine hilfreiche Untersuchung, kann aber durch ein verzögertes Ausstreichen (Alterungsartefakte) eingeschränkt sein.

RDW (Red Cell Distribution Width)

Indikation

Abklärung Anämie

Der RDW entspricht der Verteilungsbreite der Erythrozyten und gilt als Maß für die Anisozytose der Erythrozyten. Hilfreich kann er z.B. bei der Unterscheidung einer mikrozytären Anämie (Eisenmangel vs. Thalassämie in einer Minorform) sein. Bei einem Eisenmangel ist der RDW oft erhöht, bei einer Thalassämie in Minorform oft normwertig.

Leukozyten

Indikation

Diagnostik, Verlaufskontrolle und Therapieüberwachung bei akuten oder chronischen entzündlichen oder infektiösen Erkrankungen; Überwachung der Knochenmarksfunktion nach Chemotherapie; unter Therapie mit potenziell knochenmarkschädigenden Arzneimitteln oder bei metastasierenden Tumoren; Verlaufskontrolle bei primären hämatologischen Erkrankungen (Leukämien, myelodysplastische und myeloproliferative Syndrome, lymphoproliferative Erkrankungen, Anämien)

Eine Leukozytose oder Leukopenie sollte bei erstmaligem Befund oder Veränderungen über ein Differenzialblutbild charakterisiert werden und eine Betrachtung insbesondere der Absolutwerte nach sich ziehen.

Thrombozyten

Indikation

Basisuntersuchung, präoperatives Screening, Differenzialdiagnostik hämorrhagischer Diathesen, Sepsis, systemische Entzündungsreaktionen und DIC, Überwachung einer Heparintherapie; Überwachung der Knochenmarksfunktion nach Chemotherapie oder unter Therapie mit potenziell knochenmarkschädigenden Arzneimitteln

Hinweis

Bei V.a. EDTA-induzierte Pseudothrombozytopenie zusätzlich 5 mL Citratblut einsenden. Das Röhrchen bitte mit einem Gummiband umwickeln. Die Markierung verhindert die Zentrifugation. EDTA als Antikoagulanz kann in vitro eine Aggregatbildung induzieren, die zu einer falsch niedrigen Bestimmung der Thrombozytenkonzentration führt. Die Aggregate können unter dem Mikroskop gesehen werden. Eine Bestimmung aus einer erneut gewonnenen Citratblutprobe erlaubt in den meisten Fällen eine richtige Bestimmung der Zellkonzentration. In seltenen Fällen kann es auch im Citratblut zu einer Aggregatbildung mit konsekutiver Pseudothrombozytopenie kommen. Hier ist dann die Bestimmung aus einem Spezialröhrchen (z.B. ThromboExact) anzuraten.

Erhöhte Werte

kompensatorisch nach Blutverlusten, postoperativ, Akute-Phase-Reaktion, myeloproliferative Erkrankungen, Eisenmangel

verminderte Messwerte

u.a. Verlust, Verbrauch (z.B. bei DIC, Splenomegalie), Infekte, verminderte oder defekte Plättchenbildung, MDS, ITP, Zytostatikatherapie, Medikamente (heparininduziert!)

 

Indikation

Basisuntersuchung, V.a. Erkrankungen der Blutbildung, Differenzialdiagnose inflammatorischer Zustände, Abklärung zufällig im Blutbild gefundener Leukozytosen und Leukopenien, akute oder chronische entzündliche oder infektiöse Erkrankungen, Überwachung der Knochenmarksfunktion nach Chemotherapie, unter Therapie mit potenziell knochenmarkschädigenden Arzneimitteln oder bei metastasierenden Tumoren, primäre hämatologische Erkrankungen (Leukämien, myelodysplastische und myeloproliferative Syndrome, lymphoproliferative Erkrankungen, Anämien), Immundefekte und Autoimmunerkrankungen

Material

2 mL frisches EDTA-Blut und ggf. dünne, gut ausgezogene Ausstriche, luftgetrocknet

Referenzbereich

siehe Befundbericht

Erhöhte Werte

Befundinterpretation abhängig von der Ergebniskonstellation

Das mikroskopische Differenzialblutbild erlaubt eine weitergehende Differenzierung von Störungen der Reifung des hämatopoetischen Systems. Bei V.a. primäre Erkrankungen des blutbildenden Systems oder des Immunsystems sollte ergänzend zur quantitativen Bestimmung von Erythrozyten, Thrombozyten und Leukozyten gezielt eine mikroskopische Zelldifferenzierung durchgeführt werden.

Hinweis

bitte Fragestellung angeben

Material

2 mL frisches EDTA-Blut und ggf. dünne, gut ausgezogene Ausstriche, luftgetrocknet

Referenzbereich

siehe Befundbericht

Erhöhte Werte

Befundinterpretation abhängig von der gesamten Ergebniskonstellation