Zusammenfassung der Zöliakie-S2k-Leitlinie von 04/2014

Im April 2014 wurden in einer S2k-Leitlinie Empfehlungen betreffs der Bezeichnung, Klinik, Diagnostik, Screening, Therapie, Verlaufskontrolle und Differenzialdiagnose als Ergebnis einer S2k-Konsensus-Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) gemeinsam mit der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG e. V.) zur Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität veröffentlicht.

Änderungen bei den Bezeichnungen für die Zöliakie und ihre Formen

Die Bezeichnung einheimische Sprue und die bisherige Differenzierung in typische, atypische, overte, silente, asymptomatische und oligosymptomatische Formen sollte nicht mehr verwendet werden. Insbesondere die Begriffe typische bzw. atypische Zöliakie implizieren eine Häufigkeitsverteilung, die nicht mehr der heutigen Realität entspricht. Die Zahl der Personen, die aufgrund sogenannter typischer gastrointestinaler Symptome diagnostiziert werden, geht zurück, wohingegen die Zahl der beim Screening von Risikogruppen erkannten Fälle zunimmt. Der leicht fehlzuinterpretierende Begriff „atypische Zöliakie“ sollte deshalb korrekterweise durch die Bezeichnung symptomatische Zöliakie ersetzt werden.

Die meisten Betroffenen mit symptomatischer Zöliakie leiden unter abdominellen Beschwerden wie Dyspepsie, Flatulenz oder Wechsel der Stuhlgewohnheiten. Auch Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Depressionen oder eine Obstipation können Symptome sein. Gelegentlich sind aber auch laborchemische Veränderungen, z. B. eine (leichte) Transaminasenerhöhung oder eine Schilddrüsenfunktionsstörung, die einzigen Indikatoren. Untergewicht ist kein Kriterium – im Durchschnitt sind bei Diagnose-Stellung bis zu 28% der Patienten übergewichtig, bis zu 11% sogar adipös.

Das früher typische Erscheinungsbild der Zöliakie des Kleinkindes mit Gewichtsverlust, Steatorrhoe und Eiweißmangelödemen, dem aufgetriebenen Abdomen, voluminösen übelriechenden dyspeptischen Diarrhoen, Muskelhypotrophie, Anorexie und Verhaltensauffälligkeiten sollte treffender als klassische Zöliakie bezeichnet werden. Die empfohlene Differenzierung der Zöliakie umfasst fortan die potentielle, subklinische, symptomatische, klassische und refraktäre Form.

Screening-Empfehlung

Bei erstgradigen Verwandten sollte eine Antikörper-Diagnostik angeboten werden. Im negativen Fall sollte bei Kindern und Jugendlichen die Diagnostik alle 1-2 Jahre oder bei Auftreten von Symptomen kontrolliert werden. Erwachsene sollten nach einmalig negativer Serologie nur im Falle von Symptomen erneut untersucht werden.

Nachfolgende Auflistungen zeigen eine Übersicht, bei welchen Erkrankungen eine Zöliakie ausgeschlossen werden sollte.

Autoimmunerkrankungen

  • Diabetes mellitus
  • Hashimoto-Thyreoiditis
  • Autoimmunhepatitis
  • Primär-biliäre Zirrhose
  • Kollagenosen (Sjögren-Syndrom/SLE)
  • Addison-Syndrom

Neurologisch-psychiatrische Krankheiten

  • Migräne
  • Epilepsie
  • Depressionen
  • Angststörungen

Hauterkrankungen

  • Dermatitis herpetiformis Duhring
  • Psoriasis

Genetische Syndrome

  • Down-Syndrom
  • Turner-Syndrom

Weitere Erkrankungen

  • Asthma bronchiale
  • Transaminasen-Erhöhung
  • Selektiver IgA-Mangel
  • Osteopathie
  • Mikroskopische Kolitis
  • Reizdarmsyndrom
  • Lymphoproliferative Erkrankungen

Diagnostik

Bei klinischem Verdacht auf Zöliakie sollen primär die Transglutaminase- oder Endomysium-IgA-Ak sowie das Gesamt-IgA im Serum untersucht werden. Es genügt in der Regel ein spezifischer Ak-Test. Solange keine eindeutigen Studien existieren, sollte nicht nur bei absolutem, sondern schon bei erniedrigtem Gesamt-IgA ein IgG-Test mitbestimmt werden. Entgegen früherer Empfehlung gilt diese Empfehlung für alle Altersklassen, einschl. der Säuglinge und Kleinkinder. Die vormalige Vermutung, dass Kinder bis zu einem Alter von ca. 2 Jahren nicht zuverlässig Endomysium/ Transglutaminase-IgA-Ak bilden könnten, hat sich nicht bestätigt.

Etwa 20% aller Personen mit Zöliakie-spezifischer Serologie zeigen keine Veränderungen im Duodenum – damit wäre die potenzielle Zöliakie eine relativ häufige klinische Konstellation. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nur bedingt haltbar – die Rate falsch negativer und falsch positiver Serologien hängt u.a. ganz wesentlich von der Art des eingesetzten Testes und der Wertung grenzwertiger Titer ab. In den neueren europäischen Leitlinien werden die Endomysium-IgA-Ak (EMA) deshalb als Referenzantikörper bezeichnet, vorausgesetzt, das Labor besitzt eine entsprechende Expertise.

Gliadin-Ak werden zur Primärdiagnostik nicht mehr empfohlen. Auch die Sensitivität und Spezifität der deamidierten Gliadinpeptid Antikörpern (dGP-Ak) hängen stark vom verwendeten Antigen ab und sind von Test zu Test unterschiedlich. Sie erreichen nicht die Werte der Endomysium- oder Transglutaminase- IgA-Teste. Lediglich bei Gesamt-IgA-Mangel kann die Bestimmung von dGP-IgG-Ak sinnvoll sein.

dGP-IgA-Ak sollen in keinem Fall bestimmt werden. Ebenfalls für die Diagnose einer Zöliakie ungeeignet sind Ak gegen natives Gliadin, Speichel-, Stuhltests und Blut-Schnelltests.

Grundvoraussetzung für die Diagnostik ist glutenhaltige Ernährung.

  Sensitivität Spezifität
Transglutaminase-IgA-Ak 74-100% 78-100%
Endomysium-IgA-Ak 83-100% 95-100%

Sollte bereits eine glutenfreie Diät begonnen worden sein, können die Ak-Titer bereits wieder in den Normbereich abgesunken sein und sind deshalb im negativen Fall nicht zuverlässig verwertbar. Es empfiehlt sich eine Glutenbelastung. Serologische Untersuchung sollten vor und – sofern es die klinische Situation zulässt – frühestens nach 4, spätestens nach 12 Wochen unter Belastung durchgeführt werden. Ist kein Antikörper-Anstieg erfolgt, ist Normalkost zu empfehlen. Bei Kindern und Jugendlichen (bis 18 Jahre) sollten unter Glutenbelastung die Ak alle 6 Monate für zwei Jahre bestimmt werden. Wenn die Ak negativ bleiben und keine Symptome auftreten, gilt die Glutenbelastung als negativ. Sicherheitshalber sollte nach 5 und 10 Jahren eine Kontrolle erfolgen. Bei Erwachsenen wird keine systematische Nachbeobachtung empfohlen.

Bei deutlich positiver Serologie(>3fach oberer Grenzwert) sollte unverändert eine histologische Untersuchung der Dünndarm-Schleimhaut erfolgen, um die Diagnose zu sichern.

Ausnahme: Bei Kindern mit klinischen Symptomen und Zeichen der Malabsorption kann unter folgenden Umständen der Verzicht auf eine Biopsie erwogen und die Diagnose Zöliakie ohne eine histologische Sicherung gestellt werden:

  • Transglutaminase-IgA-Ak >10fach Grenzwert und
  • positiver Endomysium-IgA-Ak aus einer zweiten unabhängigen Blutprobe und
  • Nachweis von HLA-DQ2 oder DQ8 und
  • Verschwinden der Symptome unter einer glutenfreien Diät

Die Entscheidung zum Verzicht auf eine Biopsie soll durch einen Kindergastroenterologen in Absprache mit den Sorgeberechtigten getroffen werden.

Bei nur gering erhöhten Antikörper-Titern und Symptomfreiheit wird zunächst eine serologische Kontrolle nach 3-6 Monaten empfohlen, da z. B. auch im Rahmen von Virusinfektionen transient Transglutaminase/ Endomysium-IgA-Ak getriggert werden. Bei wiederholt erhöhten Titern sollte eine Biopsie erwogen werden.

Die HLA-DQ2/DQ8-Typisierung ist eine Ausschluss-Diagnostik. Sie ist zu erwägen bei:

  • Patienten mit erhöhtem Risiko
  • Patienten mit diskrepanten Befunden
  • Patienten mit fraglicher Diagnose, die schon >2 Monate Diät halten

Unter Diät werden serologische Kontrollen in Jahresabständen empfohlen.

Fluoreszenzmikroskopischer Nachweis von Autoantikörpern gegen das Endomysium (Ösophagus, Aufnahme Dr. B. Becker, LADR Zentrallabor Dr. Kramer & Kollegen)

Differenzialdiagnosen

Weizenallergie
Dabei treten IgE-vermittelte und/oder T-Zell-vermittelte Reaktionen gegen verschiedene Weizenproteine u.a. omega-5-Gliadin, gamma-Gliadin, Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs), Thioredoxin oder Lipid-Transfer-Protein auf. Gastrointestinale Formen der Weizenallergie sind klinisch nicht eindeutig von einer Zöliakie zu unterscheiden. Eine Sonderform ist die eosinophile Ösophagitis.

Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität
Es handelt sich um eine Intoleranz gegenüber Weizenbestandteilen. Das klinische Bild kann der Zöliakie ähnlich sein. Ursächlich ist jedoch nicht das Gluten, sondern die mit glutenhaltigen Produkten assoziierten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI), die zu einer Aktivierung des angeborenen Immunsystems über Toll-like-4-Rezeptoren führen. Möglicherweise sind auch sogenannte FODMAPs (Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide And Polyole) beteiligt. Es handelt sich um ein unscharf definiertes Krankheitsbild ohne allergische oder autoimmune Pathogenese. Auch hier ist die Therapie der Wahl eine glutenfreie Diät, die aber womöglich nicht so streng wie bei der Zöliakie eingehalten werden muss.

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