Adaptiert aus W. Herrmann, R. Obeid: Ursachen und frühzeitige Diagnostik von Vitamin-B12-Mangel. Dtsch Arztebl 2008; 105(40): 680–685

W. Herrmann, R. Obeid: Utility and limitations of biochemical markers of vitamin B12 deficiency. Eur J Clin Invest 2013; 43(3): 231–237

R. Obeid et al: Response of homocysteine, cystathionine, and methylmalonic acid to vitamin treatment in dialysis patients. Clin Chem 2005; 51: 196–201

S. L. Schrier et al: Diagnosis and treatment of vitamin B12 and folic acid deficiency. UpToDate 30-07-2012

S. L. Schrier: Etiology and clinical manifestations of vitamin B12 and folic acid deficiency. UpToDate 06-09-2012

Vitamin B12-Mangel: laborärztliche Diagnostik

Hinsichtlich der Abklärung einer im Blutbild aufgefallenen makrozytären Anämie gehört die Bestimmung von Vitamin B12 und Folsäure seit langem zum Spektrum der Laboruntersuchungen. Aber auch bevor Auffälligkeiten im Blutbild bestehen, werden die Analyten oftmals im Rahmen einer Abklärung von Müdigkeit und Abgeschlagenheit bestimmt. Bei unklaren polyneuropathischen Beschwerden kann ein Vitamin B12-Mangel ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Die Bedeutung von Vitamin B12 ist im Körper insbesondere für die Synthese von DNA bei der Zellteilung, z. B. bei der täglichen Blutbildung, der Schleimhauterneuerung und der Bildung von Neurotransmittern sowie zahlreichen Methylierungsreaktionen essenziell.

Vitamin B12: Nahrungsquellen, Bedarf und Speicher

Die Hauptquelle von Vitamin B12 sind vorwiegend tierische Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Milch und Eier. Der Tagesbedarf liegt ungefähr zwischen 2,4 und 2,8 μg. Der Vitamin B12-Speicher beim Erwachsenen beträgt ca. 2,5 mg, davon ist 1 mg in der Leber gespeichert. Diese Reserve reicht für einen Bedarf von 3-4 Jahren. Somit ist ersichtlich, dass sich ein theoretisch abruptes Sistieren in der Aufnahme erst nach Jahren als Mangelerscheinung manifestiert!
 

Wer ist von einem Vitamin B12-Mangel betroffen?

Ältere Menschen sind überdurchschnittlich häufig von einem Vitamin B12-Mangel betroffen. Wird der frühere Grenzwert eines ausreichenden Gesamt-Vitamin-B12-Spiegels (= Gesamt-Cobalamin-Spiegel) von etwa 200 ng/l als Beurteilungskriterium herangezogen, dann sind bereits 10-15 % der älteren Personen als unterversorgt einzustufen. Werden hingegen der Gesamt-Vitamin-B12-Spiegel im Bereich von 200–400 ng/l oder sensitivere Parameter wie die Konzentrationen an Holo-Transcobalamin (HoloTC) und Methylmalonsäure (MMA) angewendet, dann steigt die Prävalenz des Vitamin B12-Mangels auf bis zu 50 % an.

Weitere Risikofaktoren für einen Vitamin B12-Mangel

  • Vorliegen einer chronisch atrophischen Gastritis im Rahmen von Helicobacter-Infektionen
  • Vorliegen von Parietalzell-Antikörpern oder Auto-Antikörpern gegen Intrinsic-Faktor
  • Erkrankungen des Ileums (Resorptionsort des Vitamin B12-/Intrinsic-Faktor-Komplexes!)
  • Vegetarismus/Veganismus
  • Alkoholabusus
  • Autoimmunerkrankungen
  • Schwangerschaft/Stillzeit
     

Vitamin B12-Mangel: Pathophysiologie und Klinik

Bei älteren Personen ist ein Vitamin B12-Mangel vorwiegend auf eine unzureichende Bildung von Magensaft (HCl und Pepsinogen) zurückzuführen, wodurch die Absorption der in der Nahrung enthaltenen Cobalamin-Protein- Komplexe deutlich reduziert ist. Eine entscheidende Ursache hierfür sind entzündliche Prozesse der Magenmukosa, die primär auf dem Boden einer atrophischen Gastritis vom Typ B entstehen. Etwa 20-50 % der Senioren sind hiervon betroffen.

Bei einem Vitamin B12-Mangel im Laborbefund sollte daher eine Gastroskopie angeschlossen werden. Zudem ist die eingeschränkte Säureproduktion des Magens mit einer Alkalisierung des Dünndarmmilieus verbunden, in deren Folge sich ein Overgrowth-Syndrom entwickeln kann und die Vitamin B12-Verfügbarkeit weiter reduziert wird. Daneben hemmen eine Reihe von Medikamenten die intestinale Absorption von Vitamin B12.

Hierzu zählen:

  • Protonenpumpen-Inhibitoren (Omeprazol und Lansoprazol)
  • H2-Rezeptorenblocker (Cimetidin, Ranitidin)
  • Cholesterinsenker (Cholestyramin)
  • Verschiedene Antibiotika
  • Das Antidiabetikum Metformin
     

Bereits eine leichte Beeinträchtigung des Vitamin B12-Status steht im Zusammenhang mit neuropsychiatrischen/neurologischen Symptomen (Konzentrationsstörungen, depressive Stimmungslage, Parästhesien, Ataxie). Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass eine unzureichende Vitamin B12-Versorgung die Entstehung bzw. den Verlauf von Demenzerkrankungen (z. B. Morbus Alzheimer) negativ beeinflusst. Dies gilt vor allem dann, wenn gleichzeitig ein Defizit an Folsäure besteht. Insbesondere die neurologischen Symptome sind nur in frühestem Stadium noch durch Substitution reversibel.

Daher ist eine frühe und zuverlässige Diagnose des Vitamin B12-Mangels extrem wichtig!
 

Diagnostik des Vitamin B12-Mangels und Fallstricke

Vitamin B12 im Plasma ist an unterschiedliche Transportproteine gekoppelt; zum einen an das Haptocorrin als biologisch inaktives Holo-Haptocorrin und zum anderen an das Transcobalamin als biologisch aktives HoloTC. Der Anteil von Holo-Haptocorrin macht 80-90 % des gesamten Vitamin B12 im Plasma aus. Das biologisch aktive Holo-TC liegt zu 10-20 % vor. HoloTC gilt als das biologisch aktive Vitamin B12, weil es über spezifische Transcobalamin- Rezeptoren in die Zelle aufgenommen werden kann.

Ein isoliert erniedrigtes HoloTC zeigt bereits die Entleerung der Vitamin B12-Speicher an. Schon ein nur leicht erniedrigtes HoloTC in Verbindung mit einer erhöhten Konzentration an Methylmalonsäure (MMA) weist auf einen metabolisch manifesten Vitamin B12-Mangel hin (Abb. oben).

Die Erniedrigung des Gesamt-Vitamin-B12 ist im Verlauf ein zu später Marker, insbesondere weil weitere labordiagnostische Zeichen wie eine makrozytäre Anämie fehlen können und es für die bereits eingetretenen neurologisch/ neuropsychiatrischen Veränderungen keine spezifischen Laboranalyten gibt! Darüber hinaus kann auch bei sehr hohen Spiegeln des Gesamt-Vitamin-B12 ein Mangel an HoloTC vorliegen, wenn diese Erhöhung z. B. in Verbindung mit einer erhöhten Haptocorrinbildung steht (Transportform des Vitamin B12). Auch bei der Bestimmung der Konzentration von HoloTC wird der Einfluss einer kurzzeitigen Vitamin B12-Einnahme eliminiert, um Vortäuschung einer normalen Konzentration zu verhindern. Niereninsuffiziente Patienten zeigen oft normale Gesamt-Vitamin-B12-Konzentrationen, aber auch unauffällige HoloTC-Konzentrationen. Die Ursache liegt am ehesten in einer gestörten zellulären Aufnahme des HoloTC, die zu einem intrazellulären Mangel an Vitamin B12 mit konsekutivem Metabolitanstieg führt.

Um nun hier einen bestehenden Vitamin B12-Mangel bei Patienten mit Nierenerkrankungen zu bestätigen, wird geprüft, ob eine Reduktion des MMA-Spiegels im Serum nach Vitamin B12-Injektionen um mehr als 23 µg/l erfolgt. Da Patienten mit Nierenerkrankungen auch eine nicht auf Vitamin B12-Mangel beruhende MMA-Erhöhung aufweisen können, ist die Abgrenzung des Vitamin B12-Mangels nur durch eine therapeutische MMA-Absenkung möglich.

Stadien des Vitamin B12-Mangels

  Norm St. I St. II St. III Anämie
Holo-Transcobalamin
(pmol/l)[1]
> 50 < 35 < 35 < 35 < 35
Homocystein[2] norm norm norm
MMA im Serum[3], im Urin norm norm norm
Hypersegmentation N N N Ja Ja
Erythrozyten norm norm norm norm Megalo
MCV norm norm norm norm
Hämoglobin norm norm norm norm
Myelinschädigung N N N (Ja) Ja

[1] 16h stabil
[2] Stabilisiertes Vollblut im Spezialröhrchen (Best.-Nr. 397699)
[3] Erhöht bei Niereninsuffizienz, dann 2. Morgenurin untersuchen
MMA: Methylmalonsäure
MCV: Mittleres korpuskuläres Volumen

St. I = Frühe negative Vitamin-B12-Bilanz
St. II = Entleerung der Vitamin-B12-Speicher
St. III = Vitamin-B12-Mangel der Hämatopoese
 

Holo-Transcobalamin (HoloTC):

Im Blut zirkuliert Vitamin B12 zu ca. 10-20 % gebunden an Transcobalamin (HoloTC, die metabolisch aktive Form; t1/2 = 1,5 h) und zu ca. 80-90 % gebunden an Haptocorrin (Holo-Haptocorrin). Die Bestimmung des Gesamtcobalamins (Vitamin B12) unterliegt bestimmten Einschränkungen, insbesondere da der überwiegende Anteil des Cobalamins gebunden an Haptocorrin vorliegt. In einer Reihe von Studien wurde daher dargelegt, dass HoloTC der bessere Indikator des Vitamin B12-Status als Gesamt-Vitamin-B12 ist. Allein aufgrund niedrigerer Kosten wird weiterhin am Gesamt-Vitamin-B12 als Screening-Parameter festgehalten.

Homocystein:

Da Homocystein aus den Erythrozyten nach der Blutentnahme freigesetzt wird (ca. 10 % artifizieller Anstieg des Homocysteinspiegels pro Stunde nach Blutentnahme) ist die Präanalytik von großer Bedeutung. Es ist daher die Verwendung von speziell stabilisiertem Vollblut zu empfehlen. Hierfür sind Spezialröhrchen (Best.-Nr. 397699) zu verwenden.

Verbesserte Labordiagnostik: Methylmalonsäure (MMA) im Urin:

Dadurch, dass MMA ausschließlich über die Nieren ausgeschieden wird, kann eine eingeschränkte Nierenfunktion (vorwiegend bei älteren Patienten) zu auffälligen Werten von MMA im Serum bzw. Plasma führen. Diese geringere Spezifität der MMA im Serum und Plasma kann umgangen werden durch einen Test, der auch die Bestimmung der MMA aus dem zweiten Morgenurin ermöglicht. Mit dem Bezug des Messwertes auf das Kreatinin kann die Ausscheidungsleistung der Niere berücksichtigt werden. Ein fälschlich hoher Wert kann klinisch nur noch aus einer intestinalen bakteriellen Überwucherung resultieren.

Abrechnungen

Parameter Probenmaterial EBM GOÄ (1,15-fach)
    Ziffer Ziffer
Gesamt-Vitamin-B12 1 ml Serum 32373 4,20 € 4140 16,76 €
Holo-Transcobalamin (HoloTC) 1 ml Serum oder Heparin-Plasma 32381 15,90 € 4062 32,17 €
Homocystein 3 ml Blut im Spezialröhrchen (Best.-Nr. 397699) 32318 15,00 € A3737 38,21 €
Methylmalonsäure (MMA) 1 ml Serum oder 10 ml Urin 32314 51,90 € 4078 38,21 €
Kreatinin 1 ml Serum 32066 0,25 € 3585H1 2,68 €
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