PCR-Diagnostik sexuell übertragbarer Infektionen

Die molekulare Diagnostik von Erregern sexuell übertragbarer Infektionen (STI) wurde zum 01. Juli 2022 in den EBM aufgenommen. Unter der Gebührenordnungsposition (GOP) 32852 wird der Nukleinsäurenachweis ein oder mehrerer Erreger erstattungsfähig. Ergänzend wurde diese neue GOP unter der Ausnahmekennziffer 32006 aufgenommen, sodass die Anforderungen keine Auswirkungen auf Ihren Wirtschaftlichkeitsbonus haben.

Aus fachlicher Sicht wird die Aufnahme dieser als IGeL bereits erfolgreich eingesetzten Multiplex-PCR-Verfahren in den EBM außerordentlich begrüßt. Generell erhält die Diagnostik damit eine signifikante Steigerung der Sensitivität und Spezifität im Vergleich zu den bisherigen Kultur- und Antigennachweisverfahren. Der erzielbare zeitliche Gewinn für die Einleitung von Therapie- und Hygienemaßnahmen wird durch die geforderte „Befundmitteilung binnen 24 Stunden nach Probeneingang im Labor“ direkt an Sie und damit an Ihre Patientent*innen sowie deren Partner*innen weitergegeben.

Die Leistungslegende zur GOP 32852 enthält den „Nukleinsäurenachweis von einem oder mehreren der nachfolgend aufgeführten Erreger sexuell übertragbarer Infektionen“, die kurz erläutert werden. 

Bakterielle Erreger

Generell: Die drei gelisteten pathogenen Bakterienarten leben obligat intrazellulär oder am Epithel haftend. Beim Nachweisversuch aus Urin sollte daher unbedingt Erststrahlurin (5–10 ml) mindestens – sofern möglich – 4 bis 6 h nach dem letzten Urinieren eingesendet werden. Damit gelangen abgeschilferte Epithelzellen mit potenziell vorhandenen pathogenen Bakterien zur Diagnostik. Ebenfalls geeignet sind genitale, anale und oropharyngeale Abstriche. Dagegen ist der zur Diagnostik von Zystitiden verwendete Mittelstrahlurin für die Diagnostik von STI verursachenden Bakterien ungeeignet!

Chlamydia trachomatis

Die obligat intrazellulären Bakterien erfordern eine Zellkultur für die Anzucht, die mehrere Tage benötigt. Frühzeitig wurde daher der im Vergleich sensitivere und schnellere molekulare Nachweis in der Routinediagnostik erfolgreich etabliert. Bei symptomatischer Infektion des Urogenitalsystems mit z.B. Dysurie, vaginalem Fluor, aber auch bei einer Proktitis ist eine Chlamydieninfektion differenzialdiagnostisch zu erwägen. 

Mehr als 70% der Frauen bleiben bei den Infektionen mit Chlamydia trachomatis asymptomatisch. Sie können dennoch zu Entzündungen und Verschluss der Tuben mit nachfolgender Sterilität führen. Entsprechend wurde das Chlamydien-Screening gemäß Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses bei jungen Frauen etabliert, um durch eine Therapie die Folgen der unbehandelten Infektion zu verhindern.

  1. Frauen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr wird das Screening mittels PCR aus einer Erststrahlurinprobe auf eine asymptomatische urogenitale Infektion mit Chlamydia trachomatis entsprechend den Richtlinien zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch des Gemeinsamen Bundesausschusses einmal jährlich (GOP 01840) sowie nach Schwangerschaftsabbruch (GOP 01915) angeboten.
  2. Gemäß Mutterschaftsrichtlinien wird Schwangeren die PCR-Diagnostik auf eine genitale Chlamydia trachomatis Infektion aus einer Urinprobe im Rahmen der Allgemeinuntersuchung angeboten (GOP 01816).
  3. Im Rahmen einer HIV-Präexpositionsprophylaxe wird die molekulare Diagnostik von Chlamydia trachomatis und/oder Neisseria gonorrhoeae aus oropharyngealen, urethralen und anorektalen Abstrichen angeboten (GOP 01936).

Therapiekontrollen: Da die Bakterien-DNA trotz erfolgreicher Therapie noch wochenlang nachweisbar bleiben kann, wird eine Erfolgskontrolle frühestens 4 Wochen nach Ende der Therapie empfohlen. Persistierende vaginale Infektionen sind nicht zwangsläufig Ausdruck einer mangelnden Compliance oder Reinfektion, sondern können auch Ausdruck einer Re-Besiedelung bei analem Trägertum sein. In Studien wurde das anale Trägertum bei bis zu 15 % der untersuchten Frauen unabhängig von berichtetem rezeptiven Analverkehr nachgewiesen. Der Therapieerfolg bei rektaler Chlamydien-Infektion liegt bei Doxycyclin mit > 95 % über dem von Azithromycin (85 %). Bei Proktitis und Nachweis einer anorektalen Chlamydia trachomatis-Infektion sollte ergänzend ein ggf. ursächliches L-Serovar mittels PCR abgeklärt werden. Für das damit verbundene Lymphogranuloma venereum wird in den Leitlinien eine dreiwöchige Therapie mit Doxycyclin empfohlen. Mit Ergänzungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) am 16. September 2022 wurde der Nachweis eines L-Serovars für das Labor meldepflichtig. Die elektronische Meldung via DEMIS (Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz) wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023 ermöglicht.

Mycoplasma genitalium

Die Anzucht dieser Mykoplasmenart aus Untersuchungsmaterial erfordert eine Zellkultur und benötigt mehrere Wochen. Daher ist die PCR die Nachweismethode der Wahl. M. genitalium wird bei Männer als ursächlich für Urethritiden angesehen. Bei Frauen verursachen sie Zervizitis, Endometritis und Salpingitis. Therapeutisch werden Azithromycin, Doxycyclin oder Moxifloxacin in Kombinationen eingesetzt. Gegen das am häufigsten verwendete Azithromycin sind – auch in unseren eigenen Untersuchungen – etwa 50 % der Isolate resistent, gegen das alternativ verwendete Fluorchinolon ca. 15 % der Isolate. Entsprechend führen wir bei Nachweis von M. genitalium eine molekulare Makrolid-Resistenztestung ergänzend durch, um eine Therapieempfehlung mitteilen zu können. Nach aktuellen Leitlinien wird immer eine Kombinationstherapie mit Doxycyclin zur Eradikation und zur Prävention weiterer Resistenzen empfohlen.

Neisseria gonorrhoeae

Die PCR ist die sensitivste Methode zum Nachweis einer therapiebedürftigen Gonorrhoe. Etwa 70 % der infizierten Frauen weisen keine Symptome auf, wie auch etwa 30 % der infizierten Männer. Bei nicht-genitalen Abstrichen verifizieren wir den molekularen Nachweis mit einem zweiten PCR-Verfahren mit zwei weiteren spezifischen Zielsequenzen, um einen fehlerhaft positiven Befund durch apathogene Neisserien sicher auszuschließen. Resistenzen gegen verschiedenen Antibiotika sind meist multifaktoriell, sodass nur die Anzucht mit phänotypischer Testung aussagefähig ist – demzufolge wird keine molekulare Resistenztestung angeboten. 

In den aktuellen Leitlinien wird therapeutisch unverändert bei unbekanntem Resistenzprofil die einmalige Gabe von Ceftriaxon, ergänzt durch eine orale Azithromycin-Therapie bei nicht abschätzbarer Compliance zur Wiedervorstellung empfohlen. Dies dient einerseits Therapie­versagern durch eine mögliche verminderte Empfindlichkeit gegen Ceftriaxon entgegenzuwirken und andererseits eine mögliche Koinfektion mit C. trachomatis mitzubehandeln. Bisher waren nur die Nachweise von Isolaten mit verminderter Empfindlichkeit gegen gängige Antibiotika für das Labor meldepflichtig. Im Laufe des Jahres 2023 wird der Nachweis von N. gonorrhoeae nach §7 IfSG via DEMIS meldepflichtig.

Mycoplasma hominis, Ureaplasma parvum und U. urealyticum

Die pathogene Bedeutung dieser Bakterienarten, die zur physiologischen Genitalflora zählen, wird seit ihrer Erstbeschreibung vor mehr als 60 Jahren kontrovers diskutiert. Viele nationale und internationale Fachgesellschaften empfehlen aktuell kein Screening mittels Multiplex-PCR-Verfahren auf diese Bakterien bzw. lehnen es explizit ab. Der Hintergrund für diese Ablehnung ist nicht nur die fragliche pathogene Bedeutung, sondern auch die mit dem DNA-Nachweis häufig verbundene antibiotische Therapie asymptomatischer Patient*innen. Der damit einhergehenden Zunahme von Resistenzen pathogener Bakterien soll hierdurch entgegengewirkt werden. 

Dem wurde im EBM Rechnung getragen: Das PCR-Verfahren zum Nachweis von M. hominis und den zwei Arten von Ureaplasmen ist nicht in der GOP 32852 zum molekularen Nachweis von Erregern sexuell übertragbarer Infektionen gelistet. Sofern bei anhaltender Symptomatik eine Infektion mit diesen drei genannten Bakterienarten untersucht werden soll, so kann dies in einer Einzelanalyse unverändert über die GOP 32842 abgerechnet werden – ABER nicht parallel zur GOP 32852 in einem Auftrag!

Im Einzelfall kann diese PCR-Diagnostik nach Ausschluss der anderen unter GOP 32852 genannten STI-Erreger oder unabhängig davon aus einem, neu abgenommenen Untersuchungsmaterial angefordert werden. Molekulare Resistenztestungen sind kommerziell nicht verfügbar – die Fertigung der bisherigen kommerziellen, eher orientierenden phänotypischen Resistenztestung von angezüchteten Mykoplasmen/Ureplasmen wird – laut Herstellerangaben – eingestellt!

Parasiten

Trichomonas vaginalis

Diese zu den Flagellaten gehörenden Einzeller werden weltweit als zweithäufigste Ursache sexuell übertragbarer Infektionen angesehen. In Europa weisen epidemiologische Studien jedoch einen Anteil von < 1% aller STI auf. Auch in Deutschland wird nur selten eine Trichomoniasis diagnostiziert. In Studien zur Diagnostik weist die PCR mit > 95 % die höchste Sensitivität auf im Vergleich zur aufwendigen, zeitintensiven speziellen Flüssigkultur (90 %) und zur direkten Mikroskopie (60 %). Folgerichtig wurde die PCR in das erstattungsfähige Panel des EBM aufgenommen. Unverändert ist Metronidazol die Therapie der Wahl.

Virale Erreger

Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

Ursprünglich wurde mit HSV Typ 1 der Herpes labialis und mit Typ 2 der Herpes genitalis assoziiert. Epidemiologische Untersuchungen zeigen jedoch, dass etwa 30 % der gruppiert stehenden Herpesbläschen im Oropharynx durch HSV Typ 2 und 30–50 % des Herpes genitalis durch den Typ 1 verursacht werden. Bei juckenden, schmerzhaften, in der Folge nässenden Läsionen kann bei Verdacht auf einen Herpes nicht anhand der Lokalisation auf den ursächlichen Typ geschlossen werden. Daher sollte immer nach beiden HSV gesucht werden. An eine Infektion mit HSV ist bei typischen Bläschen auf der Haut oder Schleimhaut zu denken, aber auch bei einer Urethritis, vor allem bei Männern, und bei einer Proktitis, ggf. mit anorektalen Ulzerationen.

Vorgehen

Was müssen Sie tun und wie gehen wir vor?

Unverändert ist die EBM-Ausnahmekennziffer 32006 in Ihrer EDV zu hinterlegen, wenn Sie bei Verdacht auf sexuell übertragbare Infektionen die o. a. Erreger einzeln oder in Kombination untersuchen lassen wollen.

  • Die bisherigen GOP für Kulturverfahren der STI und nun auch die GOP für die molekulare Diagnostik sind von der Berechnung Ihres Wirtschaftlichkeitsbonus ausgenommen.
  • Sofern nicht einzelne Untersuchungen gezielt angefordert werden, würden wir bei Verdacht auf eine STI die o. a. 6 Erreger mittels Multiplex-PCR untersuchen.
  • Bei Nachweis der DNA von Gonokokken legen wir eine Kultur an, um die Empfindlichkeit gegen Antibiotika zu testen und um die Surveillance des Nationalen Referenzzentrums zu unterstützen.
  • Weitere fakultativ pathogenen Erreger wie Gardnerella vaginalis, B-Streptokokken oder Hefepilze der Gattung Candida können ergänzend mittels Kulturverfahren untersucht werden.

Bei Unklarheiten oder Fragen zum Vorgehen bei der Diagnostik sexuell übertragbarer Infektionskrankheiten – auch im Einzelfall – bieten wir Ihnen gerne unsere Hilfestellung an.

Im EBM aufgenommene PCR-Diagnostik sexuell übertragbarer Infektionen

Bakterien Parasiten Viren
Chlamydia trachomatis Trichomonas vaginalis Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2
Neisseria gonorrhoeae     
Mycoplasma genitalium    

Abrechnung

Parameter EBM* GOÄ*
Ziffern Ziffern € (1,15-fach)
Nukleinsäurenachweis von einem oder mehreren Erregern sexuell übertragbarer Infektionen 32852* 19,90€
(max. 40,00 €)
4780
4783
4785
60,33 €
33,51 €
20,11 €

*Ab der 2. Leistung am Behandlungstag wird die GOP 32852 mit 7,23 € je Erreger bewertet. Der Höchstwert für die Untersuchungen der GOP 32800 (Nukleinsäurenachweis von Herpes-simplex-Virus Typ 1 und Typ 2 bei immundefizienten Patienten) und 32852 beträgt 40,00 €. Neben der GOP 32852 sind kulturelle Untersuchungen und/oder Antigennachweise zum Nachweis von Mykoplasmen und/oder C. trachomatis nicht berechnungs­fähig. Die GOP 32852 ist nur in begründeten Einzelfällen neben kulturellen Untersuchungen zum Nachweis von Neisseria gonorrhoeae berechnungsfähig.

Wichtig! Keine Belastung des Laborbudgets der Praxis

Bei Verdacht auf eine Erkrankung durch Erreger, die im Ziffernkranz der Ausnahmekennziffer 32006 aufgeführt sind, ist jeder Behandlungsfall mit der EBM-Ausnahmekenn­ziffer 32006 zu kennzeichnen. Die Untersuchung ist dann von der Berechnung des Wirtschaftlichkeitsbonus ausgenommen und belastet nicht das Laborbudget der Praxis.

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