Polyzystisches Ovarsyndrom (PCO-Syndrom)

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCO-Syndrom) wird nach der aktuellen ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) Leitlinie von 2018/ASRM (American Society for Reproductive medicine) Konsensus – in Anlehnung an die Rotterdam-Kriterien von 2004 – folgendermaßen definiert. 

Zwei Kriterien von drei müssen erfüllt sein:

  • Zyklusstörungen (Vorliegen einer Oligo-/ Amenorrhoe bzw. nachgewiesene Anovulation inkl. Polymenorrhoe mit Zyklen < 21 Tagen)
  • Eine analytisch nachgewiesene Hyperandrogenämie und/oder klinische Androgenisierungserscheinungen
  • Polyzystische Ovarien im Ultraschall: mindestens 1 Ovar mit > 12 Follikeln (2-9 mm, bzw. > 10 ml Ovarvolumen) bei Patientinnen > 8 Jahre nach der Menarche

Pathogenese

In der Pathogenese des PCO-Syndroms scheint das Zusammenspiel genetischer und mehrerer endokrinologischer Störungen im Sinne eines circulus vitiosus eine Rolle zu spielen.

Typischerweise kommt es genetisch bedingt zu einer Erhöhung des LH/FSH-Quotienten (LH: luteinisierendes Hormon, FSH: follikelstimulierendes Hormon) zugunsten des LH.Der erhöhte LH-Spiegel fördert die Androgenbildung in den Thekazellen der Ovarien. Diese vermehrten Androgene werden zum Teil im Fettgewebe in Östrogene umgewandelt, was wiederum zu einer hypophysär gesteigerten LH-Produktion und somit Steigerung der Hormonproduktion im Ovar führt. Auch in der Nebennierenrinde kommt es zu einer erhöhten Bildung von Androgenen.

Bei den adipösen PCO-Patientinnen besteht in vielen Fällen zusätzlich eine Insulinresistenz. Die dadurch kompensatorisch erhöhte Insulinfreisetzung (Hyperinsulinämie) bewirkt eine Hemmung der Bildung von SHBG (Sexualhormon bindendes Globulin) in der Leber, wodurch es ebenfalls zu einer Erhöhung des freien Anteils von Androgenen kommt. Die Insulinresistenz fördert die Entwicklung einer Adipositas, was wiederum die Insulinresistenz verstärkt.

Diagnostik des PCO-Syndroms

Die Diagnostik beinhaltet klinische und labordiagnostische Anteile.

Klinische Diagnostik:

  • Zyklusanamnese
  • Körperliche Untersuchung:
    • Ferriman-Gallwey-Score zur Bewertung und Quantifizierung eines Hirsutismus
    • Alopeziediagnostik mittels Score nach Ludwig
    • Beurteilung einer eventuellen Akne (kein anerkannter Score, mehr als 10 Aknepickel gelten als pathologisch)
  • Gynäkologische Untersuchung mit vaginalem Ultraschall
  • Blutdruckmessung
  • Ggf. Schilddrüsensonographie aufgrund dreifach erhöhtem Risiko für eine Autoimmunthyreoiditis bei PCO-Patientinnen

Labordiagnostik:

Die Labordiagnostik umfasst alle relevanten Blutwerte zur Abklärung von Zyklusstörungen (CAVE: Messung unter hormoneller Kontrazeption nicht aussagekräftig zur Diagnose einer Hyperandrogenämie):

  • Gesamttestosteron, SHBG, Testosteron, DHEAS (Dehydroepiandrosteron-Sulfat), Androstendion
  • LH, FSH
  • 17-Hydroxyprogesteron
  • TSH (Thyreotropes Hormon), Cortisol, Prolaktin
  • AMH (Anti-Müller-Hormon)

Der AMH-Wert kann ebenfalls ein wegweisender Marker sein, da dieser nach aktueller Studienlage bei Frauen mit PCO-Syndrom signifikant höher ist als bei Frauen, die eine Hyperandrogenämie anderen Ursprungs aufweisen. Er gilt als Marker jedoch weiterhin nicht als beweisend.

Zum Ausschluss anderer androgenisierender Erkrankungen (z.B. adrenogenitales Syndrom, Cushing-Syndrom, androgenproduzierende Tumore oder Medikamentenabusus) sollte zusätzlich die Analyse von LH, FSH, Prolaktin, 17-Hydroxyprogesteron und Cortisol erfolgen.

Bei auffälligem TSH-Wert und verminderten bzw. erhöhten freien Schilddrüsenhormonen (fT3 und/oder fT4) sollten zum Ausschluss von Autoimmunthyreoiditiden (Hashimoto-Thyreoiditis bzw. M. Basedow) die TPO-Antikörper bzw. die TSH-Rezeptor Antikörper ergänzend bestimmt werden.

Durch das drei- bis fünffach erhöhte Risiko von PCO-Patientinnen, an einer zusätzlichen Glukosestoffwechselstörung zu leiden, sollte bei allen Patientinnen eine Untersuchung auf eine Insulinempfindlichkeit/Insulinresistenz erfolgen, bzw. sogar ein manifester Diabetes ausgeschlossen werden. Hierfür sind weiterhin der orale Glucosetoleranztest mit 75g Glucose (OGTT) sowie eine Insulinbestimmung (nüchtern, nach 1 bzw. 2 Stunden) bzw. der HbA1c die empfohlenen Verfahren. Die alleinige Bestimmung des HOMA-Indexes (berechnet aus Nüchtern-Insulin und Nüchtern-Blutzucker) zur Beurteilung einer Insulinresistenz scheint zum Teil zu fälschlich unauffälligen Befunden zu führen, da die basalen Insulinwerte bei der Mehrzahl der PCO-Patientinnen normal sind und erst unter Stimulation überproportional ansteigen.

Zur Diagnostik eines metabolischen Syndroms im Rahmen des PCO-Syndroms ist es sinnvoll, zusätzlichen Risikofaktoren wie arteriellen Hypertonus, koronare Herzerkrankung etc. frühzeitig zu erkennen. Hierfür ist eine Analyse der Blutfette sinnvoll (Triglyceride, HDL-, LDL-Cholesterin).

Da das PCO-Syndrom ein vier- bis vierzehnfach erhöhtes Risiko birgt, an einer Depression oder einer Angststörung zu erkranken, sollte auch ein besonderes Augenmerk auf die psychische Verfassung der Patientinnen gelegt werden. Auch das Auftreten psychosexueller Störungen und/oder gestörter Körperwahrnehmung ist gehäuft.

Therapie des PCO-Syndroms

Die Therapieansätze sind von verschiedenen Faktoren abhängig:

  • besteht eine Adipositas?
  • hat die Patientin Kinderwunsch?

Bei adipösen PCO-Patientinnen sollte in jedem Fall eine Gewichtsreduktion angestrebt werden. Bei zusätzlichem Kinderwunsch erhöht sich hierdurch die Chance auf eine Schwangerschaft und die Risiken für Mutter und Kind in einer etwaigen Schwangerschaft werden reduziert.

Ergänzend zu körperlicher Aktivität und einer Ernährungsoptimierung im Sinne von LifestyleInterventionen kann Metformin im Off-Label-Use nach Ausschluss von Kontraindikationen (vor allem Nieren- und Leberinsuffizienz) besonders bei Patientinnen mit einem BMI > 30 unterstützend gegeben werden und durch Verbesserung der Insulinempfindlichkeit zum Teil zu einer Zyklusregulierung und ovulatorischen Zyklen beitragen. Die Monotherapie ist jedoch in der Wirksamkeit zur Zyklusregulierung geringer als eine Therapie mit Clomifen/Letrozol alleine oder in Kombination mit Metformin.

Bei Eintritt einer Schwangerschaft sollte das Metformin abgesetzt werden, da die fragliche Reduktion der Abortrate und die Reduktion der Entstehung eines Gestationsdiabetes bei Einnahme von Metformin in der Schwangerschaft bisher weiterhin nicht evidenzbasiert ist.

Kinderwunschtherapie nach internationaler PCOS-Leitlinie 2018

Nach der internationalen ESHRE Guideline 2018 für PCO-Patientinnen mit Kinderwunsch und anovulatorischen Zyklen ist Letrozol (in Deutschland als Off-Label-Use) Therapie der ersten Wahl (Abb. 1). Die Dosierung kann bis auf 7,5 mg/d gesteigert werden. Die Lebendgeburtenrate ist zwischen 40–60 % höher im Vergleich zu einer Stimulation mit Clomifen. Sollte Letrozol nicht verfügbar sein, bleibt weiterhin Clomifen Therapie der ersten Wahl.

Eine Kombinationstherapie mit Clomifen und Metformin verbessert die Ovulationsrate bei PCO-Patientinnen, die auf eine Clomifen Monotherapie weiterhin anovulatorische Zyklen hatten. Bei ausbleibender Eizellreifung oder zu schmalem Endometrium unter dieser Therapie sollte als Therapie der zweiten Wahl auf eine Stimulation mit Gonadotropinen umgestiegen werden.

Das ovarielle Drilling (laparoskopische Ovar-Thermokoagulation) ist weiterhin eine gängige Therapie und kann bei Patientinnen sogar als erste Wahl angeboten werden, wenn aus anderen Gründen eine Laparoskopie indiziert ist. Eine IVF/ICSI Behandlung sollte erst als Therapie der dritten Wahl in Erwägung gezogen werden, wobei das GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon)-Antagonisten Protokoll den GnRH-Agonisten Protokollen u.a. aufgrund des geringeren Risikos einer Überstimulation ggf. vorzuziehen ist.

Bei schlanken PCO-Patientinnen ohne Kinderwunsch kommen orale Kontrazeptiva mit antiandrogener Gestagenkomponente zur Reduktion der Androgenisierungserscheinungen wie Hirsutismus und Akne zum Einsatz. Zusätzlich kommt es hierdurch durch regelmäßige Abbruchblutungen zu einem Schutz des Endometriums vor einer möglichen Hyperplasie und potenzieller maligner Entartung.

Eine zusätzliche antiandrogene Therapie bei Hirsutismus/Alopezie sollte frühestens sechs Monate nach einer erfolgten Therapie mit oralen Kontrazeptiva bzw. einer kosmetischen Therapie eingeleitet werden. Ausnahmen gelten hier für Frauen, bei denen keine kombinierten Kontrazeptiva eingesetzt werden können.

Literatur
1. International evidence based guideline for the assessment and management of polycystic ovary syndrome, https://www.eshre.eu/Guidelines-and-Legal/Guidelines/Polycystic-Ovary-Syndrome

Sie wünschen eine spezielle gynäkologisch-endokrinologische Kommentierung durch Dr. med. O. Schwarzenberg, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, und sein Team? Bitte verwenden Sie neben dem Muster 10 den speziellen Begleitschein für endokrinologische Befundinterpretation (Best.-Nr. 113978) zur Übermittlung klinischer Angaben und/oder vermerken Sie Ihren Wunsch nach einem gynäkologisch-endrokrinologischen Kommentar auf dem Muster 10.

Abrechnungen

Parameter Material EBM GOÄ
    Ziffer Ziffer € (1,15-fach)
17-Hydroxyprogesteron 1 ml Serum 32368 9,40 € 4035 15,64 €
AMH (Anti-Müller-Hormon) 1 ml Serum 32361 8,10 € 4069 33,52 €
Androstendion 1 ml Serum 32387 12,80 € 4036 15,64 €
Cortisol 1 ml Serum 32367 6,20 € 4020 16,76 €
DHEAS (DehydroepiandrosteronSulfat) 1 ml Serum 32369 6,90 € 4038 15,64 €
FSH (Follikel stimulierendes Hormon) 1 ml Serum 32353 4,50 € 4021 16,76 €
LH (luteinisierendes Hormon) 1 ml Serum 32354 4,90 € 4026 16,76 €
FSH (Follikel stimulierendes Hormon) 1 ml Serum 32353 4,50 € 4021 16,76 €
Prolaktin 1 ml Serum 32355 4,60 € 4041 15,64 €
SHBG (Sexualhormonbindendes Globulin) 1 ml Serum 32360 11,90 € 3765 20,11 €
Testosteron 1 ml Serum 32358 5,00 € 4042 15,64 €
TSH (Thyreotropes Hormon) 1 ml Serum 32101 3,00 € 4030 16,76 €
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