Mach F et al. 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J. 2020 Jan 1;41(1):111-188. doi: 10.1093/eurheartj/ehz455

Kronenberg F et al. Frequent questions and responses on the 2022 lipoprotein(a) consensus statement of the European Atherosclerosis Society. Atherosclerosis. 2023 Jun;374:107-120. doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2023.04.012
 

Erhöhte Lipoprotein(a)-Werte: Häufig unterschätzter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Hohe Spiegel von Lipoprotein(a), kurz Lp(a), sind mit einem signifikant erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit (KHK), Schlaganfall und Aortenklappenstenose assoziiert. Etwa 10-20% der Bevölkerung in Deutschland weisen erhöhte Lp(a)-Werte von über 30 mg/dl auf, was als Risikogrenze für eine erhöhte Prädisposition gilt. Die Lp(a)-Bestimmung ist zur präzisen Risikostratifizierung indiziert. Das gilt insbesondere für Patienten mit hoher kardiovaskulärer Vortestwahrscheinlichkeit, bei unklarer Genese der Atherosklerose trotz medikamentös erreichter LDL-C-Zielwerte oder bei familiärer Vorbelastung für frühe kardiovaskuläre Ereignisse.

Eigenschaften von Lipoprotein(a)

Lp(a) besteht aus einem LDL-ähnlichen Partikel, der das Apolipoprotein B-100 enthält und durch das einzigartige Apolipoprotein(a) ergänzt wird. Dieses Apolipoprotein ist dem Plasminogen, einer inaktiven Vorstufe des fibrinolytisch aktiven Enzyms Plasmin, strukturell sehr ähnlich. Die Konzentration von Lp(a) wird durch das LPA-Gen reguliert, das für das Apolipoprotein(a) kodiert. Mit einer Erblichkeit von 70-90% weist Lp(a) eine bemerkenswerte genetische Stabilität über einen langen Zeitraum auf, die durch mehr als 40 verschiedene Polymorphismen im LPA-Gen charakterisiert ist. Diese starke genetische Komponente führt zu einer ausgeprägten interindividuellen Variabilität im Bereich von unter 1 mg/dl bis über 100 mg/dl, die durch Lebensstilfaktoren kaum beeinflusst werden kann. Weder eine Ernährungsumstellung noch körperliche Aktivität vermögen den Lp(a)-Spiegel signifikant zu senken. 

Auch etablierte Lipidtherapeutika wie Statine zeigen keinen relevanten Effekt. Es existiert derzeit kein zugelassenes Medikament, das spezifisch die Lp(a)-Konzentration signifikant senken kann. Somit unterscheidet sich Lp(a) grundlegend von anderen Lipidmarkern. Für Patienten mit einem erhöhten Lp(a)-Wert ist es umso wichtiger, ihr individuelles kardiovaskuläres Gesamtrisiko zu senken.

Pathophysiologie von Lipoprotein(a)

Lp(a) weist eine proatherogene Wirkung auf und begünstigt die Ablagerung von Cholesterin in die Arterienwände, wodurch die Entstehung von Plaques gefördert wird. Die Interaktion von Lp(a) mit endothelialen Zellen und glatten Muskelzellen, die zu deren Proliferation und Migration führt, trägt so zur Intimaverdickung und zur Entwicklung von Atherosklerose bei. Oxidiertes Phospholipid, das an Lp(a) gebunden ist, aktiviert proinflammatorische Signalwege und führt zur Freisetzung von Zytokinen, die eine inflammatorische Kaskade in einer Gefäßwand auslösen. Infolge dieser multifaktoriellen Pathophysiologie trägt Lp(a) kontinuierlich zur Risikoerhöhung für koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie Entwicklung einer Aortenklappenstenose bei.

LADR Themenheft: Grundlagen und Störungen des Lipoproteinstoffwechsels bietet weitere umfassende Informationen u. a. zu diesen Aspekten: endogener und exogener Lipidstoffwechsel, Cholesterin-Transport, Bedeutung der Apolipoproteine, Besonderheiten von HDL und LDL, wichtige labormedizinische Parameter.

Lp(a)-Bestimmung

Erhöhte Lp(a)-Konzentrationen, die zusätzlich zu den etablierten Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, erhöhtem LDL-Cholesterin und Diabetes mellitus auftreten, gehen mit signifikant erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher. Die European Society of Cardiology (ESC) und die European Atherosclerosis Society (EAS) empfehlen die Messung von Lp(a) möglichst bei der ersten Bestimmung der Lipidparameter, um die behandelbaren Risikofaktoren so früh wie möglich zu therapieren und somit das Gesamtrisiko weitestgehend zu minimieren (1). 

Die Bestimmung des Lp(a) ist insbesondere bei folgenden Patientengruppen indiziert:

  • Patienten, die eine Atherosklerose vor dem 60. Lebensjahr erlitten haben.
  • Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie (FH), einer autosomal dominant vererbbaren genetischen Erkrankung, die von Kindheit an mit bis zu 20-fach erhöhten Risiko für koronare Herzerkrankung assoziiert ist. 
  • Patienten, bei denen eine Atherosklerose oder eine koronare Herzkrankheit diagnostiziert wurde, obwohl der Zielwert für LDL-C medikamentös erreicht ist.
  • Bei Familienangehörigen, die frühzeitig von einer koronaren Herzkrankheit betroffen sind.
  • Bei Familienangehörigen, bei denen ein erhöhtes Lp(a) festgestellt wurde, auch wenn keine weiteren Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegen.
  • Bei Patienten mit moderat erhöhtem und hohem Risiko, wie in der Leitlinie der ESC und EAS aufgeführt (siehe "Kardiovaskuläre Risikokategorien und zugeordnete Zielwerte auf der Website „LDL-Cholesterin“).

Im aktuellen Risikorechner (SCORE2) besteht keine Möglichkeit, Lp(a) als Vorhersagevariable einzusetzen. Dies kann dazu führen, dass das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis erheblich unterschätzt wird. Der neu entwickelte Lp(a)-Risikorechner ermöglicht die Risikoberechnung für einen Myokardinfarkt oder Apoplex bis zum Alter von 80 Jahren sowohl mit als auch ohne Berücksichtigung der gemessenen Lp(a)-Konzentration (2). Auch wenn sich die Lp(a)-Konzentration nicht beeinflussen lässt, kann der neue Risikorechner Aufschluss darüber geben, inwiefern eine Modifikation von Faktoren wie LDL-C und/oder Bluthochdruck das Gesamtrisiko eines Patienten partiell reduzieren kann.

Kooperationspartner des Lipidologischen Kompetenznetzes

Das Lipidologische Kompetenzzentrum fungiert als koordinierende zentrale Institution in einem lipidologischen Netzwerk von Partnern aus verschiedenen Disziplinen wie Labormedizin, Kardiologie oder Nephrologie. Die Zertifizierung des Lipidologischen Kompetenzzentrums durch die DGFL – Lipid-Liga e. V. fördert die Qualitätssicherung der Patientenversorgung und eine flächendeckende Versorgung.

Der LADR Laborverbund wurde zum Kooperationspartner des Lipidologischen Kompetenznetzes des Nierenzentrums Reinbek & Geesthacht ernannt. Durch die Vernetzung labormedizinischer Expertise mit interdisziplinärer Fachkompetenz ermöglicht diese Zusammenarbeit eine noch gezieltere Diagnostik und Betreuung von Patienten mit komplexen Lipidstoffwechselstörungen.

CME-Fortbildung "Fettstoffwechsel - Aktuelle Empfehlungen zur Labordiagnostik" als Video

Welche Bedeutung hat die Untersuchung von Parametern des Fettstoffwechsels? Welche Parameter sollten wie häufig untersucht werden? Muss die Blutentnahme nüchtern erfolgen? Diese und weitere praxisorientierte Fragen werden in diesem Vortrag beantwortet. Als Basis dienen die 2019 aktualisierte europäische Leitlinie zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen und Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e.V.

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Abrechnung

Parameter Material EBM GOÄ
Ziffern Ziffern € (1,15- fach)
Lipoprotein(a) 1 ml Serum 32456 10,95 € 3730 20,11 €
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