Diabetes-Früherkennung: Typ-2-Diabetes ist häufig unentdeckt

Zur Messung von Glucose und HbA1c dürfen nur qualitätsgesicherte Labormethoden zum Einsatz kommen. Schnellteste und POCT-Methoden (Point of Care Testing) sind laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) für die Stellung der Erstdiagnose „Diabetes mellitus“ in der Regel nicht geeignet. Die Messung der Glucose sollte für die Erstdiagnose aus venösem Plasma unter Verwendung von Citrat-Fluorid-Röhrchen bzw. aus separiertem Plasma von einem sofort zentrifugierten Natriumfluorid(NaF)-Röhrchen erfolgen.

Diabetes mellitus ist der Sammelbegriff für heterogene Störungen des Stoffwechsels mit einer chronischen Hyperglykämie als Leitbefund. Typische Langzeitschäden sind v. a. mikro- und/oder makroangiopathisch bedingte Folgeerkrankungen verschiedener Organe, insbesondere an Augen, Nieren, Herz, peripheren Arterien und Nervensystem.

Patienten mit Typ-2-Diabetes (ca. 95% der Patienten mit Diabetes mellitus) zeigen eine verminderte Insulinwirkung bei meist normaler oder sogar erhöhter Insulinsekretion zu Beginn der Erkrankung (Insulinresistenz). Es besteht häufig eine Assoziation zum metabolischen Syndrom (Dyslipidämie, Adipositas, arterielle Hypertonie), und die Erkrankung manifestiert sich meist im höheren Erwachsenenalter. Die demografische Entwicklung mit einem Älterwerden der Gesellschaft sowie eine Zunahme der Adipositas aufgrund der heutigen Lebensgewohnheiten erklärt auch, dass weltweit ein Ansteigen der Erkrankungshäufigkeit bei Diabetes mellitus zu beobachten ist.

Die Prävalenz des Typ-2- Diabetes beträgt in Deutschland ca. 7 bis 8 % der Erwachsenen, wobei regionale Unterschiede deutlich zu sehen sind.

Die Häufigkeit des unentdeckten Diabetes mellitus in Deutschland liegt im Verborgenen, da der Beginn der Krankheit sehr häufig ohne Symptome verläuft. Auszugehen ist von einer Dunkelziffer von etwa 2 Mio. Menschen mit Diabetes. Laut der Analyse von vertragsärztlichen Abrechnungsdaten von 69 Mio. gesetzlich Versicherten durch das Zi (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung) erhalten etwa 500.000 gesetzlich Krankenversicherte pro Jahr neu die Diagnose Typ-2-Diabetes. Der Anstieg der Prävalenz ist besonders in der Personengruppe ab 65 Jahren mit niedrigem Bildungsstatus, hohem Body-Mass-Index (≥30 kg/m2 ) und geringer körperlicher Bewegung zu erkennen.

Für den Typ-2-Diabetes empfiehlt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) generell ein Screening der Nüchternglucose ab dem 45. Lebensjahr. Im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung ab dem 35. Lebensjahr („Check-up 35“), die von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen wird, ist bereits eine Glucosebestimmung vorgesehen.

Auf diese Chance zur Früherkennung der Volkskrankheit Diabetes mellitus sollten die Patienten immer wieder hingewiesen werden. Der Check-up kann zur Prävention chronischer Erkrankungen alle 2 Jahre durchgeführt werden.

Diagnostisches Vorgehen bei der Erstdiagnose von Diabetes.

Adaptiert aus der Praxisempfehlung der Deutschen Diabetes Gesellschaft von 2017

IFG = impaired fasting glucose (abnorme Nüchternglucose);

IGT = impaired glucose tolerance: Aufklärung über Diabetesrisiko, Lifestyle-Intervention, Behandlung der Risikofaktoren. Erneute Risikobestimmung nach spätestens 1 Jahr; bei vaskulären/neurologischen Komplikationen zeitnah.

Probenmaterial

Die Plasmaglucose sollte für die Erstdiagnose aus einem Citrat-Fluorid-Röhrchen (GlucoEXACT®, Best.-Nr. 261717Vacuette® FC Mix, Best.-Nr. 262022) bzw. aus separiertem Plasma von einem sofort zentrifugierten Natriumfluorid (NaF)-Röhrchen (Monovette NaF, Best.-Nr. 262040; Vacuette® NaF, Best.-Nr. 261204) bestimmt werden. Citrat-Fluorid und NaF hemmen die In-vitro-Glykolyse, die ansonsten bei der Bestimmung aus venösem Vollblut/Serum bzw. kapillärem Vollblut zu falsch niedrigen Werten führen kann.

Diabetes-Risiko-Test

Das Risiko, innerhalb der nächsten Jahre an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken, kann z. B. mithilfe des vom DIfE (Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke) entwickelten Diabetes-Risiko-Test ermittelt werden. Auf der Webseite (http://drs.dife.de/) kann der Patientenfragebogen für den Diabetes-Risiko-Test online ausgefüllt und heruntergeladen werden.

Plasmaglucose als Goldstandard

Die DDG schränkt in den neuen Praxisempfehlungen von 2017 die Verwendbarkeit von HbA1c als Primärparameter zur Diabetesdiagnose (Leitlinien 2010) deutlich ein und empfiehlt die Plasmaglucose als Goldstandard. Die höchste Sensitivität zur Erkennung von einem Diabetes hat der oGTT (oraler Glucosetoleranztest). Auffällige bzw. grenzwertige Parameter sollten zeitnah kontrolliert werden. Um Stör- oder Einflussgrößen zu reduzieren, sollte auch der jeweils andere Laborparamater (d. h. entweder Glucose oder HbA1c) bestimmt werden. Bei diskrepanten oder grenzwertigen Befunden empfiehlt sich eine Kontrolle in 3–6 Monaten.

Bei der Glucosebestimmung aus dem Serum ist wegen der In-vitro-Glykolyse mit der Möglichkeit falsch niedriger Messwerte zu rechnen. Dies kann dazu führen, dass bei der Bestimmung der Glucose aus Serum durch falsch niedrige Werte ein Diabetes mellitus übersehen wird.

Es wird daher für die Erstdiagnose empfohlen, unbedingt Abnahmesysteme mit Hemmstoffen der Glykolyse zu verwenden: Citrat-Fluorid(CF)- bzw. Natriumfluorid (NaF)-Röhrchen. Aus Citrat-Fluorid-Röhrchen oder aus separiertem Plasma von einem sofort zentrifugierten Natriumfluorid(NaF)-Röhrchen kann die Plasmaglucose auch bei möglicherweise auftretenden längeren Zeiten bis zur Messung noch korrekt bestimmt werden.

Die Verwendung dieser Röhrchen erhöht damit die Sicherheit in der medizinischen Labordiagnostik für die betroffenen Patienten.

Diabetes mellitus und erhöhtes Diabetesrisiko

Parameter Plasma Bedeutung
Glucose bei Gelegenheitsmessung
(unabhängig von
Mahlzeiten und Tageszeit)
≥200 mg/dl
(≥11,1 mmol/l)

Gelegenheitshyperglykämie:
Bei Symptomen (Polyurie, Polydipsie) oder erhöhtem
Diabetesrisiko: Diabetes mellitus

<200 mg/dl
(<11,1 mmol/l)
Bei Symptomen oder Risiko bzw. grenzwertigem Befund: oGTT
oder HbA1c durchführen
Nüchternglucose (vorangehende
Nahrungskarenz von mind. 8 Stunden)
≥126 mg/dl (≥7,0 mmol/l)

Bei Bestätigung in wiederholter
Messung sowie Symptomen
(Polyurie, Polydipsie) oder erhöhtem
Diabetesrisiko:
Diabetes mellitus

<126 mg/dl (<7,0 mmol/l) Bei Symptomen oder Risiko bzw. grenzwertigem Befund: oGTT oder
HbA1c durchführen
2-Stunden-Wert im oGTT mit
75 g Glucose (außerhalb der Schwangerschaft)
≥200 mg/dl (≥11,1 mmol/l) Diabetes mellitus
140–200 mg/dl (7,8–11,1 mmol/l)

IGT (gestörte Glucosetoleranz).
Dies gilt nur bei gleichzeitigem
Nüchternwert unterhalb des Grenzwertes
für Diabetes mellitus.

<140 mg/dl (<7,8 mmol/l) Kein Diabetes

Oraler Glucosetoleranztest OGTT

Die Verwendung von kapillärem Vollblut (Hämolysat) oder venösem Vollblut (Serum) wird nicht mehr empfohlen. Die Durchführung eines oralen Glucosetoleranztests (oGTT) empfiehlt sich zum einen bei grenzwertigen Glucosewerten im Screeningtest, zum anderen auch bei unauffälligen Glucosewerten, wenn gleichzeitig Diabetessymptome bestehen bzw. ein erhöhtes Diabetesrisiko vorliegt.

hier mehr Infos zum oGTT-Test

Literatur: - Nauck M. et al. Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. Diabetologie 2017; 12 (Suppl 2): S94–S100 - Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2018 – Die Bestandaufnahme. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe (Hg). 2018

Abrechnung

Parameter Probenmaterial EBM GOÄ
    Ziffer Ziffer € (1,15-fach)
Glucose 1 ml Vollblut in Citrat FluoridRöhrchen oder 1 ml NaF Plasma 32057 0,25 € 3560 2,68 €
HbA1c 2 ml EDTA-Blut oder Kapillarblut 32094 4,00 € 3561 13,41 €
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