Bhasin S, Brito JP, Cunningham GR, et al. Testosterone Therapy in Men With Hypogonadism: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2018; 103:1715.

Dohle GR (Chair), Arver S, Bettocchi C, Jones TH, Kliesch S, Punab M. European Association of Urology 2015, Guidelines on Male Hypogonadism.

Fernández-Balsells MM, Murad MH, Lane M et al. Clinical review 1: Adverse effects of testosterone therapy in adult men: a systematic review and meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab 2010; 95:2560.

Nguyen CP, Hirsch MS, Moeny D et al. Testosterone and „Age-Related Hypogonadism“ – FDA Concerns. N Engl J Med 2015; 373:689.

Travison TG, Vesper HW, Orwoll E et al. Harmonized Reference Ranges for Circulating Testosterone Levels in Men of Four Cohort Studies in the United States and Europe. J Clin Endocrinol Metab 2017; 102:1161.

Testosteronmangel: Altershypogonadismus richtig diagnostizieren

Der Altershypogonadismus (engl.: late-onset hypogonadism, LOH) ist eine Erkrankung des älteren Mannes mit Symptomen des Testosteronmangels und erniedrigter Testosteronkonzentration im Serum. Ab dem 40. Lebensjahr sinkt Testosteron im Serum kontinuierlich ab (0,4 bis 1% pro Jahr), wobei nur wenige Männer (ca. 2,1%) klinische Symptome eines Androgenmangels entwickeln.

Liegen jedoch typische Symptome wie Libidomangel, Müdigkeit oder Depressivität vor, kann Testosteron im Serum bestimmt werden. Zusammen mit dem sexualhormonbindenden Globulin (SHBG) wird in der Zweitbestimmung das freie, bioaktive Testosteron errechnet. Ist dieses erniedrigt, können FSH, LH und Prolaktin bestimmt werden (Ausschluss primärer Hypogonadismus, Prolaktinom). Eine Testosterontherapie (TT) sollte dann nach Abwägung aller Vorteile und potenzieller Risiken in jedem Einzelfall individuell entschieden werden (1). Optimal wäre es, eine TT erst nach Behandlung vorhandener Komorbiditäten wie Adipositas und Diabetes mellitus zu beginnen. Eine TT kann in einem moderaten Ausmaß die Sexualfunktion stärken und die Stimmung verbessern. Weiterhin bessert sich eine bestehende Anämie und die Knochendichte steigt.

Abb. 1: Diagnostik von Altershypogonadismus

Bei der Beurteilung des Testosterons sind altersbezogene Referenzbereiche zu beachten; siehe Befundbericht.

Pathophysiologie

Es handelt sich um einen kombinierten primären und sekundären Hypogonadismus mit niedrigen Testosteronspiegeln und variablen Gonadotropinwerten. Meist kommt es zu einem leichten Anstieg der FSH- und in geringem Maße auch der LH-Konzentration innerhalb des Referenzbereiches.

Symptomatik

Die Symptome eines erniedrigten Testosteronspiegels sind mitunter unspezifisch und nicht immer mit dem niedrigen Testosteronwert in einen Zusammenhang zu bringen. Belastende Symptome, die zu einem Arztbesuch führen, sind zunächst der Libidomangel und die verminderte sexuelle Aktivität. Oft verschlechtert sich auch die allgemeine Stimmung. Daneben gehen Muskelmasse, Kraft und Knochendichte zurück. Auch eine milde Anämie kann auftreten. Um die Diagnose eines Altershypogonadismus zu stellen, sind zunächst systemische Erkrankungen, eine Fehlernährung oder Malabsorption sowie akute Erkrankungen auszuschließen. Ebenso ist zu prüfen, ob eine Behandlung mit Corticosteroiden oder ein Drogenmissbrauch (Marihuana, Opiate und Alkohol) vorliegt.

Ist der Testosteronwert im Serum erniedrigt, kann man LH, FSH, Prolaktin und eventuell SHBG zur Abschätzung des freien, bioaktiven Testosterons bestimmen.

Klinische Symptome eines Altershypogonadismus:

  • verminderte Libido
  • weniger nächtliche Erektionen
  • Stimmungsverschlechterung
  • Müdigkeit
  • Schlafstörungen
  • Einschränkung kognitiver Funktionen
  • verminderte Muskelmasse und Kraft
  • verminderte Knochendichte
  • verminderte Körperbehaarung

Diagnostik

Wer sollte auf Testosteronmangel getestet werden? Zum einen ältere Männer mit typischen Symptomen wie verminderter Libido und Depressivität oder bei physischen Veränderungen wie z.B. Haarausfall, Anämie oder verminderter Knochendichte. In den Leitlinien 2015 der European Association of Urology (2) wird ein Testosteronscreening nur bei Männern mit mehreren persistierenden klinischen Zeichen eines Androgenmangels empfohlen.

Die Blutabnahme zur Testosteronbestimmung erfolgt morgens zwischen 8 und 10 Uhr. Bei einem erniedrigten Wert erfolgt zunächst eine Kontrolluntersuchung. Die untere Grenze (2,5 Perzentile) für normalgewichtige Männer zwischen 19 und 39 Jahren wird z. B. mit 2,64 µg/l angegeben (5). Die Literaturangaben schwanken jedoch deutlich, je nach eingesetztem Testverfahren und der untersuchten Gruppe. In den Empfehlungen der International Society of Andrology (ISA), International Society for the Study of the Aging Male (ISSAM) und European Association of Urology (EAU) werden Testosteronwerte unter 3,45 µg/l (<12 nmol/l) im Serum als auffällig angesehen. Die untere Normbereichsgrenze in unserem Test (cobas von Roche Diagnostics) liegt bei 3,5 µg/l.

Bestätigt sich ein erniedrigter Testosteronwert, könnte man in einem zweiten Schritt LH, FSH, Prolaktin (Ausschluss Prolaktinom) und eventuell auch SHBG zur Abschätzung des freien, bioaktiven Testosterons bestimmen (Abb. 1). Dies erfolgt durch eine Ermittlung des freien Androgenindex (FAI) oder die Berechnung des freien Testosterons (Formel von Vermeulen). SHBG könnte immer dann gleich mitbestimmt werden, wenn hier Veränderungen zu erwarten sind, wie etwa bei Übergewicht (niedriges SHBG) oder sehr hohem Alter (höheres SHBG). Allgemein zeigen sich erhöhte SHBG-Werte bei hohem Alter, Hyperthyreose, hohen Östrogenkonzentrationen, Lebererkrankungen, HIV-Infektionen und bei der Einnahme von Antiepileptika. Niedrige SHBG-Spiegel werden bei Übergewicht, Insulinresistenz, Diabetes Typ II, Hypothyreose, erhöhtem Wachstumshormon, exogener Gabe von Androgenen oder anabolen Steroiden, Glucocorticoiden und beim nephrotischen Syndrom beobachtet.

Testosterontherapie (TT)

Ob ältere Männer mit altersbedingt niedrigen Testosteronspiegeln von einer TT profitieren, ist weiterhin umstritten. Der Zielbereich für eine solche Maßnahme liegt im unteren Normbereich junger Männer (Testosteron z.B. 3,5 bis 4,0 µg/l). Sinnvoll wäre es, zunächst eventuell vorhandene Komorbiditäten wie Adipositas und Diabetes mellitus zu behandeln. Dies allein kann schon eine Besserung des Hypogonadismus erreichen. Kontraindikationen sind das Prostatakarzinom (PCa), viriles Mammakarzinom, schwere Herzinsuffizienz, PSA >3–4 µg/l, obstruktive Schlafapnoe, erhöhtes Prostatakarzinomrisiko (z.B. Angehöriger ersten Grades mit PCa), Hämatokrit >48% und infertile Männer mit Kinderwunsch, da Testosteron die Spermatogenese supprimiert.

Therapieüberwachung

  • PSA-Bestimmungen alle 3 bis 6 Monate, bei Anstieg über 1,4 µg/l bzw. >4 µg/l urologische Untersuchung der Prostata notwendig
  •  Blutbild alle 3 bis 6 Monate oder mindestens einmal im Jahr
  • Testosteronspiegel, Blutfette und Leberwerte im ersten Jahr mindestens halbjährlich, dann jährlich

Nebenwirkungen und Risiken

Mit einem Anstieg des PSA >1 µg/l ist zurechnen. Bei Anstiegen >1,4 µg/l oder >4 µg/l sollte sich jedoch eine urologische Untersuchung anschließen. Eine Metaanalyse von 51 randomisierten Studien (3) zeigte 2010 in keiner Altersgruppe ein erhöhtes Risiko für das Prostatakarzinom. Allerdings war hier die Patientenzahl zu gering, um einen negativen Effekt sicher auszuschließen. Metaanalysen zeigten auch keine negativen Effekte mit Blick auf die benigne Prostatahyperplasie, jedoch waren auch hier die Fallzahlen zu gering und die Beobachtungszeiträume zu kurz. Hinsichtlich eines möglicherweise erhöhten kardiovaskulären Risikos ist die Datenlage widersprüchlich. Nachweislich kommt es zu einer Vergrößerung des Volumens nicht kalzifizierter Plaques. Jedoch zeigte sich kein Einfluss auf die Kalzifizierung dieser Plaques. Obwohl sich keine direkten Hinweise auf eine Erhöhung des kardialen Risikos zeigten, sollte man hier noch umfangreichere Studien durchführen, um diese Gefahr besser abschätzen zu können. Immerhin sah sich die FDA 2015 veranlasst, einen Warnhinweis zu einem möglicherweise erhöhten Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle auf allen Verpackungen von Testosteronprodukten anzubringen (4). Ein Anstieg des Hämatokritwertes auf >52% ist bei einem Viertel bis einem Drittel der Fälle zu erwarten. Dieser Umstand kann mit Blick auf das kardiovaskuläre Risiko durchaus kritisch gesehen werden.

Probenmaterial und Abrechnung

Parameter Probenmaterial EBM GOÄ
Ziffer Ziffer € (1,15- fach)
Testosteron 2ml Serum, wegen zirkadianer Rhythmik Abnahme 8-10 Uhr 32358 5,00€ 4042  15,64€
SHBG (Sexualhormonbindendes Globulin) 32360 11,90€ 3765 20,11€
FSH (Folikelstimulierendes Hormon) 32353 4,50€ 4021 16,76€
LH (Luteinisierendes Hormon) 32354 4,90€ 4026 16,76€
Prolaktin 32355 4,60€ 4041 15,64€
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